Mifa Tourensporträder ab 1971: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. Februar 2019, 01:01 Uhr

 Diese Seite ist Teil der Modellübersicht des VEB Mifa-Werk Sangerhausen
 in der Unterkategorie Mifa Tourensporträder

Übernahme der Tourensporträder von Diamant

1970 wurden die Mifa-Tourensportäder erstmals in einem Prospekt erwähnt. Das hier gezeigte Rahmendekor wurde nur kurzzeitig verwendet. Die Serienproduktion begann 1971.

Im Zuge der zunehmenden Massenmotorisierung stagnierte in den 1960er Jahren wie in anderen europäischen Ländern auch in der DDR die Nachfrage nach Fahrrädern bzw. ging sie zum Teil leicht zurück. Gleichzeitig wurde der devisenbringenden Produktion von Flachstrickmaschinen bei Diamant stärkere Priorität eingeräumt. In der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre gab es infolgedessen Bestrebungen, die Produktion von Fahrrädern bei Diamant zu reduzieren bzw. gänzlich aufzugeben. Nachdem bereits 1969 die Verlagerung der Sportrad-Produktion in das Mifa-Werk nach Sangerhausen erfolgt war, sollten nun auch die Tourensporträder übernommen werden. Im Dezember 1969 sollte einer Mifa-Betriebschronik zufolge eine Nullserie produziert werden. Der Mifa-Betriebszeitung Ausgabe März/April 1971 zufolge begann die Serienproduktion zum 1. Januar 1971. Änhlich wie bei den Sporträdern, wurden auch von den Tourensporträdern lediglich die Basisausführungen übernommen. Die Modellbezeichnungen blieben von dieser Produktionsverlagerungen unberührt:

Da das Interesse am Fahrrad als Freizeitartikel in dieser Zeit jedoch wieder anstieg, wurde die Produktion von Tourensporträdern bei Diamant, anders als geplant, beibehalten, so dass von Diamant und Mifa nun zwei nahezu identische Fahrradmodelle produziert wurden. Bei Mifa sollten die Tourensporträder außerdem auch die bisherigen 28"-Tourenräder ersetzen (die jedoch in geringem Umfang weiterproduziert wurden). Entsprechend wurden 1972 etwas preiswertere Ausführungen der Tourensporträder mit Glockengetriebe und lackierten Stahlfelgen in das Sortiment aufgenommen. Einem Produktionsplan von ca. 1975 zufolge waren von Modell 102 deutlich weniger Stück (7 450) vorgesehen als von Modell 107 (21 350). Insgesamt wurden erheblich mehr Damen- als Herrentourenräder hergestellt.

  • Mifa Modell 107 - Herrenrad mit Glockengetriebe, abgeleitet aus Modell 102.
  • Mifa Modell 159 - Damenrad mit Glockengetriebe, abgeleitet aus Modell 154.

Der Entwicklung bei Diamant folgend, wurde Modell 154 (nicht aber Modell 159) im Jahr 1975 oder 1976 durch eine Ausführung mit überarbeitetem Rahmen ersetzt:

Charakteristik der Tourensporträder

Allen Mifa-Tourensporträdern gemein war ein gemuffter Stahlrohrrahmen, der sowohl bei Damen- als auch Herrenrädern lediglich in einer einheitlichen Rahmenhöhe von 56 cm lieferbar war. Damit fielen insbesondere die Herrenräder recht klein aus, was vermutlich der Grund für die inoffizielle Fortsetzung der 28"-Tourenradproduktion war. Der Rahmen hatte schräge Ausfallenden, sowie einen offenen Hinterbau. Die Sitz- und die Kettenstreben waren gerade ausgeführt. Der Rahmen besaß zusätzliche Anlötteile für den Kettenschutz, für den Dynamo und für die Luftpumpe. Der Rahmen entsprach dem der Diamant-Tourensporträder, jedoch war die Dynamohalterung an der Vorderradgabel angebracht und die Verbindung zwischen den Kettenstreben mit einer einfachen Platte anstatt eines Stegrohrs realisiert. Weiterhin besaß bei Mifa auch die Herrenausführung einen Kettenschutz und einen Tourensattel. Flachlenker und eine Stempelbremse mit Seilzug waren charakteristisch für diesen Fahrradtyp. Die Stahlschutzbleche wurden in Rahmenfarbe lackiert und weiß liniert. In geringem Umfang gab es bei Mifa auch Tourensporträder, die mit grauen Stahlschutzblechen (abhängig von der Rahmenfarbe liniert) versehen waren.

Modell 102/105/107 Modell 154/159 Modell 157/160
Rahmenhöhe 560 mm 560 mm 560 mm
Steuerrohrlänge 130 mm 160 mm 130 mm
Oberrohrlänge
Radstand
Kettenstrebenlänge

Bereits vor Serienbeginn wurden Prospekte für die Mifa-Tourensporträder gedruckt. Die darin abgebildeten Fahrräder werfen Fragen auf. Entsprechend der Abbildungen fehlt hier der Kettenschutz und die Dynamohalterung befindet sich am Hinterbau, was aber im Gegensatz zur technischen Beschreibung steht. Zudem werden die Fahrräder dort mit Abziehbildern am Steuerkopf sowie einem Sportsattel gezeigt. Hingegen verfügen die ältesten bislang bekannten Belegexemplare von 1971 über einen Kettenschutz, ein Steuerkopfschild aus Aluminium sowie eine vorn angebrachte Dynamohalterung. Vermutlich handelt es sich bei den Fahrrädern in den Prospekten von 1970/71 um Diamant-Fahrräder, die mit Mifa-Dekoren versehen wurden. Zu dieser Zeit wurden auch die Modelle 105 und 156 offiziell erwähnt, jedoch gibt es bisher keine Hinweise auf eine Serienproduktion in diesem Zeitraum.

Stagnation und Qualitätseinbußen

Technischer Fortschritt blieb an den Tourensporträdern in den 1970er Jahren völlig aus, es wurde lediglich eine überarbeitete Rahmenform in Gestalt des Modells 157 1975 eingeführt.

Tourensporträder wurden bei Mifa bis in die 1980er Jahre hinein ohne relevante Weiterentwicklungen produziert. Technische Veränderungen betrafen lediglich Maßnahmen zur Rationalisierung der Produktion oder der Materialeinsparung. Die Modelle mit Keilgetriebe erhielten 1972 ein Tretlager in der einfacheren Thompson-Ausführung, wenig später wurde das Kettenblatt vereinfacht. Vermutlich 1973 wurde das angenietete Steuerkopfschild durch ein Abziehbild ersetzt. 1975/76 wurde der Rahmen von Modell 154 vereinfacht, indem die Steuerkopflänge und Form des Unterrohrs jener der Herrenausführung angeglichen wurde. Die Modellnummer änderte sich in 157. Bei dem preiswerten Basismodell 159 wurde der bisherige, aufwändiger zu produzierende "Schwanenhalsrahmen" beibehalten. Ab 1978, spätestens jedoch ab 1979 wurde ein Lenker mit neuentwickelter Form verwendet. Eine Neuerung des Jahres 1979 stellte ein filigranerer Gepäckträger dar, der jedoch weniger Belastbar war. Im Zeitraum 1978/79 wurde die Vorderradgabel so überarbeitet, dass auch Schutzbleche mit einer Überlaufstrebe befestigt werden konnten (nunmehr je Ausfallende zwei Ösen für die Befestigung des Schutzbleches, bisher nur eine Öse). Wurden bis Ende der 1970er Jahre am Modell 102 sowohl Block- als auch Sportpedale verwendet, so griff man danach nur noch auf Blockpedale zurück - ab etwa 1981 waren es jene der wenig haltbaren Bauform, die Mifa selbst produzierte. Parallel dazu verschlechterte sich die Fertigungsqualität bei Mifa insgesamt, was sich an schlecht verputzten Muffen, unpräzise angebrachten Anlötteilen, mangelhafter Schmierung und Materialqualität im Tretlagerbereich usw. bemerkbar machte.

Erweiterung der Modellpalette um 1980

Abbildung des Mifa Modell 104 (1979). Erkennbar ist die auffallend hohe Anordnung des Tretlagers.

1979 wurden - anders als bei Diamant - Tourensporträder mit 28"-Laufrädern in das Sortiment aufgenommen. Damit wurde eine Bedarfslücke geschlossen, die von den in geringer Stückzahl produzierten Modellen 101 und 152 nur notdürftig bedient wurde. Die Einführung der neuen Modelle wurde teilwiese zeittypisch ideologisiert begleitet: Eine Betriebschronik des VEB Mifa-Werk Sangerhausen aus dem Jahr 1982 nennt die 28"-Tourensporträder als zentrales, im Plan "Wissenschaft und Technik" enthaltenes Thema der späten 1970er Jahre. Den Angaben zufolge wurden diese Fahrradtypen 1979 in die Produktion überführt und "zu Ehren des 30. Jahrestages der DDR der Bevölkerung zum Kauf angeboten". Eine erste offizielle Erwähnung dieser Fahrräder ist in einem Mifa-Katalog von 1980 zu finden.
Diese 28"-Modelle stellten konstruktiv von Anfang an einen fragwürdigen Kompromiss dar: Das vordere Rahmendreieck war unverändert von den 26"-Tourensporträdern übernommen worden, was eine übermäßig hohe Lage des Tretlagers zufolge hatte. Die Achsmitte lag 31 cm über dem Untergrund, 6 cm höher als bei den 26"-Tourensporträdern. Beim Treten konnten die Beine somit nicht weiter gestreckt werden als bei den 26"-Modellen, wohl aber war es für den Fahrradfahrer deutlich schwieriger geworden, sich bei Halt auf dem Untergund abzustützen. Der Schwerpunkt hatte sich ungünstig nach oben verlagert. Neu eingeführt hingegen wurden speziell für dieses Fahrradtyp verchromte Stahlfelgen mit profilierten Flanken, die zwar das Gewicht erhöhten, jedoch keinen erkennbaren Nutzen im Vergleich zu den herkömmlichen Leichtmetallfelgen brachten. Ein gewisser Fortschritt war die Verwendung einer vorderen Felgenbremse, wobei auch hier die Ausführung mit langen Bremsschenkeln verwendet werden musste, deren Wirksamkeit durch die beim Bremsen entstehende Hebelwirkung letztlich unzureichend war. Wesentlich sinnvoller wäre die Verwendung der kürzeren Sportrad-Bremsschenkel mit etwas schmaleren Reifen gewesen, stattdessen wurde eine verlängerte Ausführung der Rundscheidengabel angebaut, um den großen Platzbedarf zu schaffen. Im Unterschied zu den 26"-Ausführungen fehlten Anlötteile für den Kettenschutz, weil dessen Befestigung mittels einer primitiv ausgeführten Spange, die auf die Tretlagermuffe geklemmt wurde, erfolgte. Anstatt einer zeitgemäßen Innenführung des Lichtkabels wurde der Rahmen mit Anlötteilen zur Außenführung des Kabels versehen. Dem höheren Gewicht des Fahrrads wurde mit einer "langsameren" Übersetzung als bei den 26"-Modellen (46:20) Rechnung getragen. Zusammengenommen mit dem nur 52 cm schmalen Lenkerbügel in Verbindung mit 47 mm breiten 28"-Reifen (ungünstiges Lenkverhalten) muss die Konzeption der 28"-Mifa-Tourensporträder auch unter Berücksichtigung der damals verfügbaren Mittel als wenig durchdacht gewertet werden.

1985 wurde die Ausstattung vereinfacht und vereinheitlicht, dabei änderte sich auch die Modellbezeichnung:


Abbildung des Mifa Modell 105 (1989). Zu dieser Zeit wurde auch die Herrenausfürung mit einem PUR-Tourensattel ausgestattet.

1982, spätestens jedoch 1983 wurden die 26"-Tourensporträder um verbesserte Ausstattungsvarianten ergänzt. Damit standen endlich auch diese Fahrradtypen mit Felgenbremse zur Verfügung. Hierzu wurde die Vorderradgabel mit einer verlängerten Dynamohalterung versehen. Weitere Merkmale der verbesserten Ausstattung waren ein Gepäckträger mit Spannband anstatt der klapperanfälligen Spange, ein Ledersportsattel in der Herrenausführung, sowie Schutzbleche aus Leichtmetall. Ab 1985 verbesserte sich die Ausstattung zudem durch Verwendung eines größeren, moderneren Kettenschutzes.

  • Mifa Modell 105 - Herrenrad mit verbesserter Ausstattung, abgeleitet aus Modell 102.
  • Mifa Modell 160 - Damenrad mit verbesserter Ausstattung, abgeleitet aus Modell 157.

Im Zuge dieser Verbesserungen, wurden auch die bisherigen Modelle zunehmend mit Leichtmetallschutzblechen und verlängerter Dynamohalterung (zur Nachrüstung einer Felgenbremse) versehen. Die Produktion des letzten DDR-Fahrradtyps mit "Schwanenhalsrahmen", Modell 159, wurde etwa zeitgleich mit Einführung der Modelle 105 und 160 ersatzlos beendet.

Während in Genex-Katalogen sowohl von den von 26"- als auch 28"-Tourensporträdern abgeleitete Ausführungen mit 3-Gang-Nabenschaltung präsentiert wurden, waren im regulären Binnenmarkt lediglich Mifa-Tourensporträder ohne Gangschaltung erhältlich. Neben den "Genex-Ausführungen" gab es in den 1980er Jahren zudem für Exportzwecke abgewandelte Ausführungen der Tourensporträder, die unter abweichenden Markennamen verkauft wurden, siehe unter Exportfahrräder. Im Gegensatz zu den Sporträdern fand eine Weiterentwicklung der Tourensporträder in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre nicht. Die einfachen Modelle mit Stempelbremse schieden 1989 schließlich aus dem Sortiment aus. Allerdings wurden vergleichbare Fahrräder in Gestalt der Modelle 102 und 157 ab 1987 von IFA-Motorenwerken Nordhausen unter der Bezeichnung IFA Touring produziert.

Mifa-Tourenporträder nach 1989

Die infolge schlechter Materialqualität störanfällig gewordene Keilbefestigung der Tretkurbeln wurde Anfang 1990 durch eine Vierkant-Ausführung ohne Keil (teilweise als Glockengetriebe ausgeführt) ersetzt (belegt ab Rahmennr. 6298986). Auffälligste Veränderung im II. Quartal 1990 war der Übergang zu einer Pletscherplatte zwischen den Sitzstreben, was eher eine Vereinfachung darstellte. Eine weitere, zeitgleich eingeführte Neuerung betraf den Gepäckträger, der auch bei vielen anderen Fahrrädern von Diamant und Mifa aus dem Zeitraum 1990/91 zu finden ist. Dabei handelt es sich um eine Neuentwicklung von Mifa, die schon ab 1989 am Modell 208 zum Einsatz kam und für die 1990 auch ein Patent erteilt wurde. In der zweiten Jahreshälfte 1990 fanden als Reaktion auf die politische Wende und die veränderte Marktsituation zahlreiche Veränderungen der Ausstattung statt. Gelegentlich tauchen auch Exemplare mit einer Unicrown-Gabel auf, hier befindet sich die Dynamohalterung dann an der linken Sitzstrebe. Trotz dieser vergleichsweise umfangreichen Überarbeitungen wurden die bisherigen Tourensporträder vermutlich noch 1990, spätestens jedoch 1991 aus dem Sortiment genommen. Im ersten Mifa-Katalog aus der Zeit nach der Umwandlung in eine GmbH fehlt es auch bereits. Auch ein Katalog von Mitte 1990, der eine neue Modellpalette vorstellte, beinhaltete keine Tourensporträder.

Lackierung und Rahmendekor

Unmittelbar nach Produktionsbeginn in Sangerhausen wurden die Sporträder mit dem damals bekannten "Mifa"-Dekor und dem entsprechenden Steuerkopfschild aus Aluminium versehen. Die zweifarbige Lackierung (Bereich des Steuerkopfes weiß, übriger Rahmen Metallic-Lack) entsprach dem zu dieser Zeit üblichen Schema. 1972 erfolgte der Wechsel zum überarbeiteten Mifa-Dekor, das aus roten Mifa-Schriftzügen auf weißem Grund bestand. Ab Ende 1975 bestand das Rahmendekor aus einfachen "Chromfolienaufklebern" mit "Mifa"-Schriftzügen und bunten Streifen bzw. ab 1977 mit bunten Sternen. Ende 1979 wurde das Rahmendekor nochmals vereinfacht. Zudem wurden die Rahmen jetzt nur noch einfarbig lackiert. Mit Rahmendekor aus Aufklebern statt der Chromfolien wurden die Tourenporträder ab 1985 versehen. Während die einfacheren Modell mit Unilack daherkamen, wurden die besser ausgestatteten Modelle mit Felgenbremse stets mit Metallic-Lackierungen versehen. Weitere Details über die bei Mifa verwendeten Rahmendekore sind hier zu finden.

Neupreise

Grundsätzlich wurden Verkaufspreise in der DDR ohne Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage zentral festgesetzt. Die Preisangaben sagen daher nur bedingt etwas über die tatsächliche Verfügbarkeit, Erschwinglichkeit oder Popularität einer Ware aus. Bis in die 1980er Jahre galt dabei der Grundsatz, dass keine Preiserhöhungen ohne Verbesserungen am Produkt erfolgen durften. Grundsätzlich waren die Damenausführungen geringfügig teurer als die Herrenräder. [...]