Aufgearbeitete Fahrräder: Unterschied zwischen den Versionen

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Schon bald nach dem 2. Weltkrieg lief auf dem Gebiet der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) bzw. der jungen DDR die Fahrradproduktion bei vielen, teils auch sehr kleinen Fahrradherstellern wieder an. Dennoch deckten die produzierten Stückzahlen bei weitem nicht den Bedarf. In den ersten Nachkriegsjahren hemmten die Folgen von Demontagen und der Materialmangel eine bedarfsgerechte Produktion. Zudem musste ein großer Teil der Gesamt-Produktion als Reparationsleistung an die Sowjetunion abgegeben werden. Bei den staatlichen Fahrradproduzenten konnten wegen der Planvorgaben nicht kurzfristig auf Marktwünsche nach bestimmten Modellen reagiert werden. Schließlich wurde über viele Jahre hinweg ein nicht unbeachtlicher Teil der Fahrradproduktion regulär in zahlreiche Länder exportiert und so dem Binnenmarkt entzogen.
Schon bald nach dem 2. Weltkrieg lief auf dem Gebiet der Sowjetisches Besatzungszone (SBZ) bzw. der jungen DDR die Fahrradproduktion bei vielen, teils auch sehr kleinen Fahrradherstellern wieder an. Dennoch deckten die produzierten Stückzahlen bei weitem nicht den Bedarf. In den ersten Nachkriegsjahren hemmten die Folgen von Demontagen und der allgegenwärtige Materialmangel eine bedarfsgerechte Produktion. Zudem musste ein großer Teil der Gesamt-Produktion als Reparationsleistung an die Sowjetunion abgegeben werden. Vor der Währungsreform und der Einrichtung sogenannter Freier Läden durch die HO (staatliche Handelsorganisation) im Jahr 1948 waren Fahrräder in der SBZ nicht frei verkäuflich.


Auch wenn die Produktionszahlen innherhalb weniger Jahre stark anstiegen (Höhepunkt bereits 1953 mit 767.603 Fahrrädern) und der Bedarf aufgrund der Motorisierung in den 1960er Jahren auch wieder leicht zurückging, waren Fahrräder, wie auch viele andere (Industrie-)Produkte, bis weit in die 1960er Jahre hinein nicht überall problemlos und in voller Sortimentsbreite verfügbar. Auch waren die Preise nicht an das neue Lohnniveau angepasst. Ein Fahrrad war bis in die 1960er Jahre hinein (im Verhältis zum Einkommen) sehr [[Produktionszahlen und Preise|teuer]].  
Später wurde über viele Jahre hinweg ein nicht unbeachtlicher Teil der Fahrradproduktion regulär in zahlreiche Länder exportiert und so der Binnennachfrage entzogen. Zudem konnte bei den staatlichen Fahrradproduzenten wegen der Planvorgaben nicht kurzfristig auf Marktwünsche nach bestimmten Modellen reagiert werden.
 
Auch wenn die Produktionszahlen innherhalb kurzer Zeit nach Gründung der DDR 1949 stark anstiegen (Höhepunkt bereits 1953 mit 767.603 Fahrrädern) und der Bedarf aufgrund der Motorisierung dann in den 1960er Jahren wieder leicht zurückging, waren Fahrräder, wie auch viele andere (Industrie-)Produkte nicht überall problemlos und in voller Sortimentsbreite verfügbar. Zudem waren Fahrräder, ebenfalls bis in die 1960er Jahre hinein, im Verhältis zum Einkommen sehr [[Produktionszahlen und Preise|teuer]].  


[[Datei:Ausstellung aufgearbeiteter Fahrräder Rudi Wilde.jpg|miniatur|350px|Ausstellung des Schlossermeisters Rudi Wilde, Treuen im Vogtland, als Werbung für Umbau und Aufarbeitung gebrauchter Fahrräder; 1950er Jahre.]]
[[Datei:Ausstellung aufgearbeiteter Fahrräder Rudi Wilde.jpg|miniatur|350px|Ausstellung des Schlossermeisters Rudi Wilde, Treuen im Vogtland, als Werbung für Umbau und Aufarbeitung gebrauchter Fahrräder; 1950er Jahre.]]
Diesen Mangel spürten auch die Fahrradhändler, die ihrer Kundschaft mitunter keine (bezahlbaren) Fahrräder bieten konnten, obwohl das Fahrrad vor allem in den 1950er Jahren noch eines der wichtigsten Verkehrsmittel war. Um dem zu begegnen, begannen sehr viele Händler und Werkstätten mit der Aufarbeitung älterer, gebrauchter Fahrradmodelle. Üblicherweise wurde deren Rahmen sowie die noch brauchbaren Anbauteile (Felgen, Schutzbleche und Gepäckträger) neu lackiert und dann mit meist neuen Komponenten aufgebaut. Allerdings handhabte das beinahe jeder Betrieb anders, sodass Fahrräder ganz unterschiedlicher Qualität entstanden.  
Diesen Mangel spürten auch die Fahrradhändler, die ihrer Kundschaft mitunter keine (bezahlbaren) Fahrräder bieten konnten, obwohl das Fahrrad vor allem in den 1950er Jahren noch eines der wichtigsten Verkehrsmittel war. Deshalb begannen sehr viele Händler und Werkstätten mit der Aufarbeitung älterer, gebrauchter Fahrradmodelle. Üblicherweise wurde deren Rahmen sowie die noch brauchbaren Anbauteile (Felgen, Schutzbleche und Gepäckträger) neu lackiert und dann mit meist neuen Komponenten komplettiert. Allerdings handhabte das beinahe jeder Betrieb anders, sodass Fahrräder ganz unterschiedlicher Qualität entstanden.  


Um den Fahrrädern ein ansehnliches Erscheinungsbild zu geben, wurden sie zum Teil sehr aufwendig und in Handarbeit verziert, woraus sich häufig spezifische Stile aus Linierungen, Farbverläufen und Schriftzügen entwickelten. Nicht selten wurden auch markenspezifische Merkmale (Diamant-Strahlenkopf) nachgeahmt. Das ging soweit, dass sogar Diamant-Schriftzüge auf aufgearbeitete Fahrräder aufgebracht wurden. Im Chemnitzer Raum scheint es mehrere Firmen gegeben zu haben, die Fahrräder mit Diamant-Dekoren "veredelten". Möglicherweise wurden entsprechende Fahrräder auch in den Diamant-Werken selbst aufgearbeitet ("Feierabend-Arbeit").  
Um diesen Fahrrädern ein ansehnliches Erscheinungsbild zu geben, wurden sie zum Teil sehr aufwendig und in Handarbeit verziert, woraus sich häufig spezifische Stile aus Linierungen, Farbverläufen und Schriftzügen entwickelten. Nicht selten wurden auch markenspezifische Merkmale (Diamant-Strahlenkopf) nachgeahmt. Das ging soweit, dass sogar Diamant-Schriftzüge auf aufgearbeitete Fahrräder aufgebracht wurden. Im Chemnitzer Raum scheint es mehrere Firmen gegeben zu haben, die Fahrräder mit Diamant-Dekoren "veredelten". Möglicherweise wurden entsprechende Fahrräder auch in den Diamant-Werken selbst aufgearbeitet ("Feierabend-Arbeit").  


Einige Werkstätten beschränken sich aber nicht nur auf die Neulackierung alter Rahmen, sondern bauten diese auch um. So sind zahlreiche Damenfahrräder bekannt, die mit einem umgelöteten Herrenrahmen aufgebaut wurden oder die durch neue Anlötteile auf den neuesten technischen Stand gebracht wurden. Diese Aufarbeitungen und Umbauten von Fahrrädern waren bis zum Ende der DDR üblich.
Einige Werkstätten beschränken sich aber nicht nur auf die Neulackierung alter Rahmen, sondern bauten diese auch um. So sind zahlreiche Damenfahrräder bekannt, die mit einem umgelöteten Herrenrahmen aufgebaut wurden oder die durch neue Anlötteile auf den neuesten technischen Stand gebracht wurden. Diese Aufarbeitungen und Umbauten von Fahrrädern waren bis zum Ende der DDR üblich.
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*Gerhard Löscher
*Gerhard Löscher
*Schlossermeister Rudi Wilde, Treuen im Vogtland
*Schlossermeister Rudi Wilde, Treuen im Vogtland
*Mechanikermeister Emil Wodnitzki, Leipzig


==Beispiele aufgearbeiteter Fahrräder==
==Beispiele aufgearbeiteter Fahrräder==

Version vom 21. September 2018, 22:06 Uhr

Schon bald nach dem 2. Weltkrieg lief auf dem Gebiet der Sowjetisches Besatzungszone (SBZ) bzw. der jungen DDR die Fahrradproduktion bei vielen, teils auch sehr kleinen Fahrradherstellern wieder an. Dennoch deckten die produzierten Stückzahlen bei weitem nicht den Bedarf. In den ersten Nachkriegsjahren hemmten die Folgen von Demontagen und der allgegenwärtige Materialmangel eine bedarfsgerechte Produktion. Zudem musste ein großer Teil der Gesamt-Produktion als Reparationsleistung an die Sowjetunion abgegeben werden. Vor der Währungsreform und der Einrichtung sogenannter Freier Läden durch die HO (staatliche Handelsorganisation) im Jahr 1948 waren Fahrräder in der SBZ nicht frei verkäuflich.

Später wurde über viele Jahre hinweg ein nicht unbeachtlicher Teil der Fahrradproduktion regulär in zahlreiche Länder exportiert und so der Binnennachfrage entzogen. Zudem konnte bei den staatlichen Fahrradproduzenten wegen der Planvorgaben nicht kurzfristig auf Marktwünsche nach bestimmten Modellen reagiert werden.

Auch wenn die Produktionszahlen innherhalb kurzer Zeit nach Gründung der DDR 1949 stark anstiegen (Höhepunkt bereits 1953 mit 767.603 Fahrrädern) und der Bedarf aufgrund der Motorisierung dann in den 1960er Jahren wieder leicht zurückging, waren Fahrräder, wie auch viele andere (Industrie-)Produkte nicht überall problemlos und in voller Sortimentsbreite verfügbar. Zudem waren Fahrräder, ebenfalls bis in die 1960er Jahre hinein, im Verhältis zum Einkommen sehr teuer.

Ausstellung des Schlossermeisters Rudi Wilde, Treuen im Vogtland, als Werbung für Umbau und Aufarbeitung gebrauchter Fahrräder; 1950er Jahre.

Diesen Mangel spürten auch die Fahrradhändler, die ihrer Kundschaft mitunter keine (bezahlbaren) Fahrräder bieten konnten, obwohl das Fahrrad vor allem in den 1950er Jahren noch eines der wichtigsten Verkehrsmittel war. Deshalb begannen sehr viele Händler und Werkstätten mit der Aufarbeitung älterer, gebrauchter Fahrradmodelle. Üblicherweise wurde deren Rahmen sowie die noch brauchbaren Anbauteile (Felgen, Schutzbleche und Gepäckträger) neu lackiert und dann mit meist neuen Komponenten komplettiert. Allerdings handhabte das beinahe jeder Betrieb anders, sodass Fahrräder ganz unterschiedlicher Qualität entstanden.

Um diesen Fahrrädern ein ansehnliches Erscheinungsbild zu geben, wurden sie zum Teil sehr aufwendig und in Handarbeit verziert, woraus sich häufig spezifische Stile aus Linierungen, Farbverläufen und Schriftzügen entwickelten. Nicht selten wurden auch markenspezifische Merkmale (Diamant-Strahlenkopf) nachgeahmt. Das ging soweit, dass sogar Diamant-Schriftzüge auf aufgearbeitete Fahrräder aufgebracht wurden. Im Chemnitzer Raum scheint es mehrere Firmen gegeben zu haben, die Fahrräder mit Diamant-Dekoren "veredelten". Möglicherweise wurden entsprechende Fahrräder auch in den Diamant-Werken selbst aufgearbeitet ("Feierabend-Arbeit").

Einige Werkstätten beschränken sich aber nicht nur auf die Neulackierung alter Rahmen, sondern bauten diese auch um. So sind zahlreiche Damenfahrräder bekannt, die mit einem umgelöteten Herrenrahmen aufgebaut wurden oder die durch neue Anlötteile auf den neuesten technischen Stand gebracht wurden. Diese Aufarbeitungen und Umbauten von Fahrrädern waren bis zum Ende der DDR üblich.

Neben der Fertigung von Fahrrädern für den Verkauf ließen Kunden aber auch ihre eigenen gebrauchten Fahrräder bzw. Rahmen aufarbeiten, was vor allem bei den teuren Renn- und Sporträdern beliebt war.

Aufgrund der Vielzahl von Betrieben, die Fahrräder auf ganz unterschiedliche Art und Weise aufarbeiteten, ist es schwierig allgemeine Merkmale für diese Arbeiten zu beschreiben, doch lässt sich zusammenfassen, dass sie im Allgemeinen an fehlenden Markenschriftzügen erkennbar sind. Etliche Firmen, v. a. Fahrradgeschäfte verzierten die von ihnen aufgearbeiteten Räder aber auch mit eigenen Abziehbildern/Aufklebern (z.B. Fahrrad Linke, Elsner, Edelgard usf.). Ein weiterhin häufig sichtbares Merkmal aufgearbeiteter Fahrräder sind überlackierte Anbauteile, die vor der Lackierung nicht entfernt wurden. Beispiele hierfür sind Lagerschalen an Steuersatz und Innenlager, Steuerkopfschilder, Lenkerfeststeller und Sattelklemmbolzen. Die meisten aufgearbeiteten Fahrräder (oft auch deren Teile wie Felgen, Schutzbleche etc.) wurden vom aufarbeitenden Betrieb mit eingeschlagenen Zahlen gekennzeichnet, um die Teile nach der Lackierung wieder einander zuordnen zu können. Auch daran sind in der DDR aufgearbeitete Fahrräder zweifelsfrei zu erkennen.

Heute sind derart aufgearbeitete Fahrräder von besonderem Interesse, da sie die wirtschaftlichen Verhältnisse und den Zeitgeschmack ihrer Entstehungszeit widerspiegeln. Sie belegen auch die damaligen technischen und künstlerischen Fertigkeiten in vielen Werkstätten.

Firmen, die Fahrräder professionell aufarbeiteten

Unter anderem:

  • Einbrennlackierungen G. Albrecht, Leipzig
  • Spritzlackierei Bressler, Chemnitz/Karl-Marx-Stadt
  • Edelgard, Frankfurt/Oder
  • Elsner, Zeuten
  • Fahrrad Linke, Berlin Prenzlauer Berg
  • Fahrrad Wolf (Chemnitz)
  • Lackiererei Arno Hirsch, Karl-Marx-Stadt
  • Karl Kunz (Neuruppin)
  • Lackiererei Lindenkreuz, Dresden Friedrichstadt
  • Lukas, Berlin Prenzlauer Berg
  • Mänz, Ilsenburg i. Harz
  • Niemann, Zerbst
  • Mechanikermeister Otto Blumentritt, Leuna
  • Phänomen, Zittau
  • Preisser, Leipzig
  • RBL, Limbach-Oberfrohna
  • Urania, Cottbus
  • Willi Bode, Sömmerda
  • Gerhard Löscher
  • Schlossermeister Rudi Wilde, Treuen im Vogtland
  • Mechanikermeister Emil Wodnitzki, Leipzig

Beispiele aufgearbeiteter Fahrräder