Aufgearbeitete Fahrräder: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 23. März 2013, 12:16 Uhr
Schon wenige Jahre nach dem 2. Weltkrieg lief auf dem Gebiet der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) bzw. der jungen DDR die Fahrradproduktion bei vielen, auch sehr kleinen Fahrradherstellern wieder an. Dennoch deckten die produzierten Stückzahlen bei weitem nicht den Bedarf. Zum einen konnte wegen der Planvorgaben nicht kurzfristig auf Marktwünsche nach bestimmten Modellen reagiert werden. Zum anderen musste ein Teil der Produktion als Reparationsleistung an die Sowjetunion abgegeben werden. Zusätzlich wurde über viele Jahre hinweg ein nicht unbeachtlicher Teil der Fahrradproduktion regulär in zahlreiche Länder exportiert. Auch wenn die Produktionszahlen ständig stiegen und der Bedarf aufgrund der Motorisierung in den 60er Jahren auch wieder leicht zurückging, waren Fahrräder, wie auch viele andere (Industrie-)Produkte, bis weit in die 60er Jahre hinein nicht überall problemlos und in voller Sortimentsbreite verfügbar. Auch waren die Preise nicht an das neue Lohnniveau angepasst. Ein Fahrrad war bis in die 60er Jahre hinein (im Verhältis zum Einkommen) sehr teuer.
Diesen Mangel spürten auch die Fahrradhändler, die ihrer Kundschaft mitunter keine (bezahlbaren) Fahrräder bieten konnten, obwohl das Fahrrad vor allem in den 50er Jahren noch eines der wichtigsten Verkehrsmittel war. Um dem zu begegnen, begannen sehr viele Händler und Werkstätten mit der Aufarbeitung älterer, gebrauchter Fahrradmodelle. Üblicherweise wurde deren Rahmen sowie die noch brauchbaren Anbauteile (Felgen, Schutzbleche und Gepäckträger) neu lackiert und dann mit meist neuen Fahrradteilen aufgebaut. Allerdings handhabte das beinahe jeder Betrieb anders, sodass auch Fahrräder ganz unterschiedlicher Qualität entstanden.
Um den Fahrräder ein ansehnliches Erscheinungsbild zu geben, wurden sie zum Teil sehr aufwendig und in Handarbeit verziert, woraus sich häufig spezifische Stile aus Linierungen, Farbverläufen und Schriftzügen entwickelten. Nicht selten wurden auch markenspezifische Merkmale (Diamant-Strahlenkopf) nachgeahmt. Das ging soweit, dass sogar Diamant-Schriftzüge auf aufgearbeitete Fahrräder aufgebracht wurden. Im Chemnitzer Raum scheint es mehrere Firmen gegeben zu haben, die Fahrräder mit Diamant-Dekoren "veredelten". Möglicherweise wurden entsprechende Fahrräder auch in den Diamant-Werken selbst aufgearbeitet ("Feierabend-Arbeit").
Einige Werkstätten beschränken sich aber nicht nur auf die Neulackierung alter Rahmen, sondern bauten diese auch um. So sind zahlreiche Damenfahrräder bekannt, die mit einem umgelöteten Herrenrahmen aufgebaut wurden oder die durch neue Anlötteile auf den neuesten technischen Stand gebracht wurden. Diese Aufarbeitungen und Umbauten von Fahrrädern waren bis zum Ende der DDR üblich.
Neben der Fertigung von Fahrrädern für den Verkauf ließen Kunden aber auch ihre eigenen gebrauchten Fahrräder bzw. Rahmen aufarbeiten, was vor allem bei den teuren Renn- und Sporträdern beliebt war.
Aufgrund der Vielzahl von Betrieben, die Fahrräder auf ganz unterschiedliche Art und Weise aufarbeiteten, ist es schwierig allgemeine Merkmale für diese Arbeiten zu beschreiben, doch lässt sich zusammenfassen, dass sie im Allgemeinen an fehlenden Markenschriftzügen erkennbar sind. Etliche Firmen, v. a. Fahrradgeschäfte verzierten die von ihnen aufgearbeiteten Räder aber auch mit eigenen Abziehbildern/Aufklebern (z.B. Fahrrad Linke, Elsner, Edelgard usf.). Ein weiterhin häufig sichtbares Merkmal aufgearbeiteter Fahrräder sind überlackierte Anbauteile, die vor der Lackierung nicht entfernt wurden. Beispiele hierfür sind Lagerschalen an Steuersatz und Innenlager, Steuerkopfschilder, Lenkerfeststeller und Sattelklemmbolzen. Die meisten aufgearbeiteten Fahrräder (oft auch deren Teile wie Felgen, Schutzbleche etc.) wurden vom aufarbeitenden Betrieb mit eingeschlagenen Zahlen gekennzeichnet, um die Teile nach der Lackierung wieder einander zuordnen zu können. Auch daran sind in der DDR aufgearbeitete Fahrräder zweifelsfrei zu erkennen.
Heute sind die aufgearbeiteten Fahrräder neben den original erhaltenen auch besonders interessant, da sie die Verhältnisse ihrer Entstehungszeit widerspiegeln und zeigen welche Kunstfertigkeit in vielen Werkstätten jener Zeit noch vorhanden war.
Firmen, die Fahrräder professionell aufarbeiteten
Unter anderem:
- Spritzlackierei Bressler (Chemnitz)
- Edelgard (Frankfurt/Oder)
- Elsner (Zeuten)
- Fahrrad Linke (Berlin Prenzlauer Berg)
- Fahrrad Wolf (Chemnitz)
- Einbrennlackierungen G. Albrecht (Leipzig)
- Lackiererei Arno Hirsch (Karl-Marx-Stadt)
- Lackiererei Lindenkreuz (Dresden Friedrichstadt)
- Lukas (Berlin Prenzlauer Berg)
- Mänz (Ilsenburg i. Harz)
- Niemann (Zerbst)
- Phänomen (Zittau)
- Preisser (Leipzig)
- RBL (Limbach-Oberfrohna)
- Urania (Cottbus)
- Willi Bode (Sömmerda)
Beispiele aufgearbeiteter Fahrräder
Gut erkennbar ist der Strahlenkopf, der das bekannte Diamant-Dekor imitierte.
Die Neulackierung stammt von der Lackiererei Arno Hirsch aus Karl-Marx-Stadt
In den 50er Jahren aufgearbeitetes Diamant Modell 67; Farbwahl und Strahlenkopf entsprechen dem originalen Diamant-Stil Mitte der 50er Jahre, unterstützt wird das durch Verwendung originaler Abziehbilder; zahlreiche bekannte Exemplare (auch markenfremde Fahrräder) mit Original-Diamant-Steuerkopfschildern und EDS-Schildern
Aufwendig von Fahrrad Wolf umgebautes Diamant Modell 68: der 26"-Herrenrahmen wurde zum Damenrahmen umgelötet und anschließend als 28" Sportrad im Stil eines Mod. 109 wieder aufgebaut. Einigen Anbauteilen nach zu urteilen, wird die Aufarbeitung etwa Mitte der 50er Jahre stattgefunden haben.
Aufwendig umgebautes Vorkriegs-Sportradmodell von Mifa: der 26"-Herrenrahmen wurde zum Damenrahmen umgelötet und anschließend mit Hammerschlaglack und Handlinierungen versehen. Die erste Ausstattung bestand vor allem aus Rennradteilen (u.a. Schlauchreifen), wurde aber anschließend immer weiter modernisiert.
Nach 1956 aufgearbeitetes Modell 167; zahlreiche vergleichbare Exemplare aus dem Raum Chemnitz bekannt; markant sind vor allem der verchromte Hinterbau mit kleinen geprägten Kennziffern an den Ausfallenden, sowie die glanzverchromten Gabelscheiden.
Aufarbeitung mit eindeutigem Bezug zu den Diamant-Rennrädern der späten 50er Jahre. Basis ist ein Mod.-67-Rahmen, der mit einer Rundscheidengabel vom Modell 167 modernisiert wurde. (beide Teile vermutlich Ende der 50er neulackiert und mit zeittypischem Dekor versehen)
Brandenburg-Fahrrad, lackiert von der Lackiererei Lindenkreuz. Charakteristisch sind der blaue Metallic-Lack, die weiße Kastenlinierung, das silberne Ringdekor am Sitzrohr sowie der orange eingefasste Strahlenkopf mit silbernem Farbverlauf. Die Lackiererei Lindenkreuz lackierte viele Fahrräder in diesem Stil.
Bei diesem ebenfalls von Lindenkreuz aufgearbeiteten Diamant-Tourensportrahmen findet sich das gleiche Dekor wie bei nebenstehendem Rad. Es gibt aber auch verschiedene andere Varianten. Die Firma hatte demnach mehrere Lackierungsschemen, aus denen der Kunde wählen konnte.
Diamant Rennrad-Rahmen (Modell 35 701) aufgearbeitet von Fahrrad Linke. Markant ist neben dem handgemalten Diamant-Schriftzug vor allem die dezente Linierung mit aufwendig geschwungenen Linien. Verschiedene Stile bekannt; teilweise auch mit eigenem Steuerkopfschild.
- Mifa1949NeuLackiert.jpg
Mifa von 1949, vrmtl. in den 60er Jahren neu lackiert. Lackierung sehr schlecht ausgeführt - möglicherweise auch eine private Arbeit.
Diamant-Sportrad von 1962, in den 70er oder 80er Jahren vermtl. von Fahrrad Linke neu lackiert und liniert.