Fahrradbau der DDR im internationalen Vergleich

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Der folgende Artikel soll einen kurzen Überblick über die Besonderheiten des Fahrradbaus der DDR im internationalen Vergleich - insbesondere mit der BRD - geben.

1. Phase: Unmittelbare Nachkriegszeit 1945-1956

Im kriegszerstörten, von Alliierten besetzten Deutschland begann nach diversen Demontage-Maßnahmen die Wiederaufnahme der industriellen Produktion unter großer Materialknappheit und streng reguliert. Bis Ende der 1940er Jahre konnten in beiden Teilen Deutschlands nur recht wenige Fahrräder hergestellt werden. Dies änderte sich ab etwa 1949. In dieser ersten Phase bis etwa 1956 war die Produktionspalette von einfachen, schweren Tourenrädern - meist mit 28"-Laufrädern - dominiert, die sich von den Vorkriegs-Baumustern nur geringfügig unterschieden. Hinzu kamen Sport- und Rennrad-Modelle (teilweise mit Gangschaltung), die jedoch nur einen kleinen Teil des Produktionsumfangs ausmachten. Die ab 1954 produzierten Sporträder von Diamant fielen durch ihre besonders grazile Bauweise mit schmalen Alu-Felgen und Rundscheidengabel auf, ein vergleichbar konsequentes Sportrad gab es seinerzeit in der BRD kaum. Auch die serienmäßige Ausstattung von Damenrädern mit einer Ketteschaltung wie an Modell 209 war in der BRD nicht üblich. Man kann zumindest in Bezug auf die Diamant-Sporträder der 1950er Jahre durchaus eine progressive Entwicklungstendenz im DDR-Fahrradbau erkennen.

Die Fahrräder dieser Zeit waren schwarz oder in anderen, eher dunklen Farben lackiert, wobei der Steuerkopfbereich meistens farblich abgesetzt war. Anfang der 1950er Jahre wurden die Räder farbenfroher, teilweise auch mit schillernden Lasur- und Metallic-Lackierungen, die vor allem an Sport- und Rennradmodellen Verwendung fanden.

Während sich das Fahrradangebot in beiden Teilen Deutschlands zunächst sehr ähnlich entwickelte, traten auf Seiten der Produktion entsprechend der ideologischen Ausrichtung bereits erhebliche Unterschiede ein. Während sich in der BRD eine Vielzahl an Fahrradherstellern und Zulieferern in Privateigentum etablierten, wurden die Produktionsstätten der DDR zum größten Teil bereits bis Anfang der 1950er Jahre in Volkseigentum überführt und mit einer Zentralisierung der Wirtschaft begonnen. Die gemeinsame Geschichte der ehemals vernetzten Betriebe in Deutschland wurde durch die wirtschaftliche Spaltung zerrüttet, neue Zulieferer mussten gefunden werden. Dabei kam es nicht selten zu rechtlichen Aueinandersetzungen über die Verwendung von Markennamen, die die DDR in den meisten Fällen verlor. Ein Beispiel ist die Herstellung von Torpedo-Freilaufnaben von Fichtel & Sachs, einer in Schweinfurt angestammten Firma, die seit 1942/43 unter anderem im ostdeutschen Reichenbach einen Betrieb hatte. Dieser fiel infolge der deutschen Teilung letztlich der DDR zu, wo man die Produktion der bewährten Torpedo-Freilaufnabe unter dem Markennamen Fichtel & Sachs fortsetzte. Nicht zuletzt aufgrund von Auseinandersetzungen bei der Verwendung des Markennamens auf Exportmärkten - beispielsweisen den Niederlanden -, kam es zum Rechtsstreit, der letztlich in der Umbenennung des ostdeutschen Fichtel & Sachs - Betriebs in Renak mündete. Andere Produzenten verließen Ostdeutschland und gründeten sich im Westen neu - so geschehen u.a. mit R. Gottschalk und seinen Centrix-Naben. Mit dem Verlust der Verbindung zu Fichtel & Sachs Schweinfurt, wie auch zu R. Gottschalk, war auch die greifbare Aussicht auf die Herstellung von 3-Gang-Nabenschaltungen in der DDR verlorengegangen.

2. Phase: Die große Zeit der 26"-Fahrräder 1957-1982

Um 1957 trat eine Trendwende im internationalen Fahrradbau ein. Eine Grundversorgung mit Fahrrädern als reines Transportmittel war zumindest im Westen erreicht, und das Fahrrad erfuhr nun allmählich einen Bedeutungswandel hin zum Sport- und Freizeitartikel. Dieser Trend dürfte von der Sorge westlicher Produzenten ausgelöst worden sein, die sich Gedanken machten, wie man einen Absatzeinbruch bei den Fahrrädern verhindern könnte. Jedenfalls wurde um 1957 ein sportlicher Fahrradtyp mit 26"-Laufrädern populär. Durch die geringeren Abmessungen, das deutlich geringere Gewicht des sportlichen Rahmens, sowie bunte Farbabstimmungen hoben sie sich deutlich von den schweren Tourenrädern nach Vorkriegsbauart ab. Dieser Fahrradtyp nahm international eine dominierende Stellung ein. Die Räder waren in der Regel bereits mit Felgenbremse und aufpreispflichtig auch mit 3-Gang-Nabenschaltung ausgestattet. In der DDR wurde der neue Trend in abgewandelter Form aufgenommen. Von Diamant erschienen ab 1957 so genannte Sportliche Tourenräder mit 26"-Laufrädern. Deren Rahmen und Gabel verfügte zwar über Ausfallenden, er war jedoch angelehnt an die Tourenräder recht massiv gebaut. Dennoch waren die Räder nicht schwerer als vergleichbare 26"-Sporträder aus der BRD. Leichtmetallfelgen und ein Flachlenker betonten die sportliche Note; Felgenbremse und Gangschaltung waren hingegen zunächst nicht verfügbar. Auch in der Optik blieb man eher konservativ, der Chick der späten 1950er und 1960er wurde kaum aufgegriffen. Diese Tourensporträder dominierten fortan die Produktion bei Diamant, womit sich eine eigene Entwicklungstendenz mit Fahrradbau der DDR herausbildete, die man in westlichen Ländern so nicht verfolgen kann. Mifa hatte dem damaligen Trend entsprechende 26"-Sporträder durchaus im Programm, sie spielten jedoch eine eher untergeordnete Rolle und wurden um 1960 gänzlich aus dem Sortiment genommen.

Die Zahl der großen Fahrradhersteller ging im Verlauf der 1950er Jahre sowohl in Ost wie auch West stark zurück. War dies in der BRD ein Ergebnis der Bewegungen in der Marktwirtschaft, folgte man in der DDR einem Plan zur Zentralisierung der Produktion. Dieser beinhaltete unter anderem eine Sortimentsbereinigung für 1959, bei der Diamant und Mifa zu den einzigen großen Fahrradherstellern festgelegt und deren Sortiment so profiliert wurde, dass es keine unnötigen Überschneidungen im Produktangebot gab. Während Diamant sportliche Tourenräder, Sport- und Rennräder produzierte, war Mifa nun auf die Herstellung einfacher Räder wie Kinder- und Jugendräder, sowie klassische Tourenräder augerichtet worden. Letztere wurden in der BRD kaum noch produziert. Auch die Diamant Sporträder waren im positiven Sinne nach wie vor ein besonderes Merkmal des DDR-Fahrradbaus. Insgesamt jedoch ist eine robuste, aber deutlich einfachere Ausstattung damaliger DDR-Räder im Vergleich zu den BRD-Rädern erkennbar. In der BRD war der Fahrradmarkt grundlegend anders aufgestellt. So gab es eine breite Auswahl an aufpreispflichtigem Zubehör, zudem stand mit den Angeboten von Fahrradmarken und -zulieferern aus Österreich, Frankreich, Italien, später Japan usw. eine viel größere Angebotspalette zur Verfügung als in der DDR, sodass der individuelle Kundenwunsch auf eine ganz andere Weise erfüllt werden konnte (sofern dieser die nötigen finanziellen Mittel dazu aufzubringen in der Lage war).

Im Verlauf der 1960er und 1970er tat sich - mit Ausnahme der hochwertigen Rennräder - nur wenig innovatives auf dem internationalen Fahrradmarkt. An Rahmen, Bremsen, Tretlager und Gangschaltung der am meisten verkauften Modelle fanden kaum relevante Weiterentwicklungen statt, auch gab es mit einer Ausnahme keine neuen Fahrrad-Baumuster: Das Klapprad wurde Mitte der 1960er zu einem großen Trend. Diesen griff die DDR auch recht konsequent auf. Man erkannte im simplen, aber beliebten Klapprad die Möglichkeit, endlich eine ausreichende Versorgung mit Fahrrädern herzustellen. Das Mifa Klapprad wurde in sehr großen Stückzahlen hergestellt.

3. Phase: Innovationen 1982-1990

Im Zusammenhang mit technischen Innovationen durch die seit Jahren schon aufstrebenden Japaner, sowie die Neuentdeckung des Fahrrads als Sport- und Freizeitobjekt in den USA, kam es zu einem Innovations-Schub auf dem Fahrradmarkt, der bald die Grenzen spezieller Fahrradmodelle verließ und einen allgemeinen Trend auslöste. Dieser zeigte sich ab etwa 1983 in einer Abkehr vom 26"-Laufrad, hin zu 28"-Sporträdern, die nun mit schmalen Felgen und schmaler Bereifung, sowie zunehmend auch mit Kettenschaltung ausgestattet waren. Prägend für diese Zeit ist die "Mixte"-Rahmenform (wurde in der DDR nicht realisiert). Die Pedalarme wurden nun nicht mehr mit Keilen befestigt, Ende der 1980er wurden die offenen Tretlager durch Industrie- und letztlich Patronenlager abgelöst. Die Felgenbremsen wurden zunehmend an den Streben gehalten ausgeführt. Die Kettenschaltung erfuhr durch Schrägparallelogrammschaltwerke ab Mitte der 1980er, und die "Hyperglide"-Zahnform Ende der 1980er enorme Fortschritte. Aus den USA kamen zudem Trends für neue Fahrrad-Baumuster, wie das Mountainbike und BMX-Rad. Einher damit ging die Innovation hin zu neuen Materialien für den Fahrradrahmen.

Die sich inzwischen in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindende DDR war völlig außerstande, derartige Innovationen mit zu begleiten, man mühte sich jedoch darum, den sichtbar populären und innovativen Trends in irgendeiner Weise zu folgen. Man versuchte, die inzwischen etwas verblassten Sportradmodelle zu nutzen, um dem aktuellen Trend zu folgen. Ab Mitte der 1980er wurde deren Produktionsanteil vergrößert und die zuvor sehr überschaubare Modellpalette aufgeweitet. Mit den Diamant-Rennsporträdern waren endlich auch Sporträder in unterschiedlicher Rahmenhöhe erhältlich. (Bisher wiesen mit Ausnahme der Rennräder alle DDR-Fahrräder für Erwachsene eine Rahmenhöhe von etwa 55-56 cm auf.) Auch ein BMX-Fahrrad wurde noch in die Fertigung aufgenommen, ein Mountainbike befand sich in der Serienvorbereitung. Da von den landeseigenen Zulieferern jedoch nahezu keine Innovationen mehr ausgingen, blieb es ein Ding der Unmöglichkeit, mit den aktuellen Trends wirklich Schritt zu halten. Zumal neben den moderner ausgerichteten Modellen nach wie vor auch völlig antiquierte Fahrräder mit lackierten Stahlfelgen, lackierten Stahlschutzblechen und Stempelbremse hergestellt wurden.