IFA-Motorenwerke Nordhausen: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 22. April 2016, 19:28 Uhr

 Für Informationen zu den einzelnen Modellen siehe Modelle IFA Touring
 Zur Baujahrbestimmung von IFA Touring-Fahrrädern siehe Datierung IFA Touring Fahrräder


Kunstschmiedearbeit an der Fahrrad-Produktionshalle.

VEB IFA-Motorenwerke Nordhausen, Betrieb des IFA-Kombinates Nutzkraftwagen, DDR-5500 Nordhausen, Freiher-von-Stein-Straße 30c

Die IFA-Motorenwerke hatten eine lange Geschichte als Produzent vor allem von Kleinlokomotiven, Schleppern/Traktoren und Motoren. Der erste Vorgängerbetrieb wurde 1905 gegründet, wobei die Anfänge des Maschinenbaus in Nordhausen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichen. 1948 wurde aus dem Werk der VEB IFA Schlepperwerk Nordhausen gegründet. In den folgenden Jahren wurden mehrere Traktorenmodelle entwickelt und gebaut ("Brockenhexe", "Pionier", "Famulus" u. a.). 1965 erfolgte die Umbenennung in IFA-Motorenwerke Nordhausen. Die Traktorenproduktion wurde eingestellt, statt dessen entwickelte und baute man Dieselmotoren für LKW, Traktoren, Mähdrescher, Stationäraggregate etc. 1990 wurde aus der Betrieb in eine GmbH umgewandelt, 1993 erfolgte schließlich die Privatisierung zur Thüringer Motorenwerke GmbH, die noch bis 1997 Motoren und Blockheizkraftwerke baute.

Fahrradproduktion

Bereits seit den 1950er Jahren wurden im Rahmen der Massenbedarfsgüterproduktion, später Konsumgüterproduktion genannt auch etliche Massenbedarfsartikel gefertigt, z.B. Grabvasen, Wäschetrockner, Campingmöbel, Handwagen ("Klaufix") u.v.a.m. Die Konsumgüterproduktion verpflichtete Industriebetriebe, 5% ihrer Warenproduktion als Konsumgüter zu fertigen. Bei einem Produktionsvolumen des IFA-Motorenwerkes von über einer Milliarde Mark in den 1980er Jahren bedeutete das rund 50 bis 60 Millionen Mark, die mit der Konsumgüterproduktion zu erwirtschaften waren. Deshalb beschloss der VEB IFA-Motorenwerke 1983 auf einer Konferenz, an der auch Günter Mittag, ZK-Sekretär der SED für Wirtschaftsfragen der Planwirtschaft teilnahm, die Produktion von Fahrrädern. Der Vorschlag zum Fahrradbau kam aus dem IFA-Motorenwerk selbst, d. h. es war keine Vorgabe des zuständigen Ministeriums für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau.

Ende 1984 begann der Bau einer mehrstöckigen Produktionshalle (mit Gleisanschluss), die hauptsächlich in Eigenleistung von Mitarbeitern des Motorenwerkes errichtet wurde. Auf der Kölner Fahrradmesse IFMA informierte man sich über den aktuellen Stand auf dem Weltmarkt, um selbst moderne und hochwertige Fahrräder zu bauen. Ergebnis dieses Messebesuches war aber auch die Erkenntnis, dass die Fahrradindustrie in der DDR deutlich hinter dem internationalen technischen Stand des Fahrradbaus zurückgeblieben war. Das erkannten auch die Mifa-Werke, und ein entsprechendes Schreiben nach Berlin sorgte dort für Aufregung.

Für den Aufbau der Fahrradproduktion in den IFA-Motorenwerken standen ausreichend Geldmittel zur Verfügung, so dass man Maschinen auch auf dem internationalen Markt kaufte: die Lötanlagen für den Rahmenbau kamen aus Japan, Maschinen für den Laufradbau aus Holland und solche für die Farbgebung aus Frankreich.

Im April 1986 begann die Produktion von Fahrrädern der Marke IFA-Touring. Im selben Monat meldete die Presse, dass in jenem Jahr "40 000 Fahrräder ausgeliefert [werden]. Die Komplettierung der Tourenräder übernimmt eine neugebildete Jugendbrigade in einer durch Eigenleistungen des Betriebes in Rekordzeit errichteten Halle." (Neues Deutschland, 5./6. April 1986). Mit etwa 100 bis 150 Mitarbeitern sollten jährlich bis zu 100.000 Fahrräder produziert werden. Höhere Produktionszahlen waren zunächst nicht vorgesehen; Gewinn sollte zukünftig vor allem durch eine Verbesserung der Produkte ("Erhöhung der Gebrauchswerteigenschaften") gemacht werden. Bis 1990 produzierte man nach Angaben des IFA Museums Nordhausen 264.467 Fahrräder. Die Angabe kann den bisher bekannten Rahmennummern zufolge als realistisch eingeschätzt werden, der Jahresausstoß wurde schrittweise gesteigert und dürfte im Jahr 1989 die angestrebte Marke von 100.000 Fahrrädern überschritten haben.

Gebaut wurden in Nordhausen ausschließlich Fahrräder mit einer Laufradgröße von 26". Die Fahrräder waren, bis auf die Farbtöne der Lackierung, baugleich mit den Tourensporträdern des VEB Mifa-Werk Sangerhausen (Modelle 102, 107 und 157); diese Modellnummern wurden offenbar für die IFA-Touring-Fahrräder beibehalten. Offizielle Kataloge oder Prospekte sind für die in Nordhausen produzierten Fahrräder nicht belegt. Die Nordhausener Fahrräder waren in Ausstattung und Optik sehr einfach gehalten und können als die letzten in der DDR gebauten gelten, die noch Stahlschutzbleche, Stempelbremsen und Glockentretlager verfügen. Bezogen auf den Aufwand, den man sich im Vorfeld der Fahrradproduktion machte (Sondierung des internationalen Marktes, Einkauf moderner Maschinen aus dem Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW)) und die Erkenntnis, dass der Fahrradbau in der DDR bereits sehr rückständig war, überraschen aus heutiger Sicht Bauart, Ausstattung und Finish der IFA-Touring-Fahrräder, die sich sich noch rückständiger zeigten als die meisten Modelle des VEB Mifa-Werk Sangerhausen und des VEB Elite-Diamant Karl-Marx-Stadt. Die Frage, wie in der Folge eine tatsächliche "Gebrauchswerterhöhung" der IFA-Touring-Fahrräder ausgesehen hätte, kann nicht befriedigend beantwortet werden, denn sogar die "modernen" Mifa-Sporträder konnten Mitte/Ende der 1980er Jahre schon nicht mehr mit den internationalen Entwicklungen Schritt halten.

Neben der Produktion einfacher Tourensporträder entwickelte man 1988 im Nordhausener Fahrradbau auch Prototypen eines Tandems mit niedriger Rahmenhöhe sowie eines BMX-Fahrrades. Josef Jahn, in den Motorenwerken für den Fahrradbau zuständig, erfand ein Anti-Blockier-System für Fahrräder, das aber erst 1993 als Prototyp und ab 1994 nur für kurze Zeit in Serie gebaut wurde.

Aus der Fahrradsparte der IFA-Motorenwerke wurde 1990 die Nordhäuser Fahrrad-Südharz GmbH gegründet, die zur Schweinfurter Firma Winora gehörte. Im Jahr 2000 übernahm der Fahrradproduzent Biria die mittlerweile unter als Bike-System GmbH firmierende Produktion in Nordhausen. Noch bis 2010 wurden in Sangerhausen Fahrräder gebaut, zuletzt von der Strike-Bike GmbH, die von Mitarbeitern der Bike System GmbH nach deren Insolvenzantrag im Jahr 2007 gegründet worden war.