Fahrradwerk Crinitz N/L

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  • um 1923 Crinitzer Fahrradfabrik Otto Herkner
  • ab spätestens 1927 Herkona-Fahrradwerke Otto Herkner
  • spätestens 1946 bis 1948 Crinitzer Fahrradfabrik Otto Herkner, Crinitz (Niederlausitz), Am Bahnhof
  • 1947 auch Crinitzer Fahrradfabrik, Provinzialbetrieb, Crinitz N.-L.
  • ab Juli 1948 Crinitzer Fahrradfabrik, VEB, Crinitz N.-L.
  • ab 1949 VEB (L) Crinitzer Fahrradfabrik, Crinitz, N/L., Kreis Luckau N/L., Am Bahnhof 3
  • ab Anfang der 1950er Jahre VEB (K) Fahrradwerk Crinitz N/L, Crinitz (Niederlausitz), Am Bahnhof 3

Hersteller von Fahrrädern der Marken Fortuna und Modelle Brandenburg sowie einzelner Fahrrad-Komponenten.

 Für Informationen zu den einzelnen Fahrrad-Modellen siehe Modelle Brandenburg
 Zur Baujahrbestimmung von Brandenburg-Fahrrädern siehe Datierung Brandenburg Fahrräder


Geschichte

1910 bis 1945

Im Jahr 1910/1911 begann Otto Herkner sen., Bruder eines Dachziegelfabrikanten, mit der Produktion von Fahrrädern der Marke Herkona. Diese Marke wurde am 13.09.1923 angemeldet. 1928 ging die Firma in Konkurs, Eigentümer waren zu dieser Zeit die Brüder Bernhard (Betriebsleiter) und Albert (techn. Leiter) Herkner. 1929 wurde wurde die Firma wiedereröffnet, Eigentümer waren nun Johanna und Herta Herkner, die Ehefrauen der o.g. Brüder.

Um 1933 waren die Herkona-Fahrradwerke weitestgegend bedeutungslos, nur wenige Arbeiter wurden beschäftigt. Dennoch wurde 1932 eine gefederte Fahrradgabel in Deutschland und Tschechien zum Patent angemeldet und ein vollgefedertes Fahrrad angeboten.

Neben der Marke Herkona wurde etwa Mitte der 1930er Jahre auch die Marke Grangsport produziert - angemeldet wurde der Markenname am 30.09.1936. Es dürfte sich, wie es bei vielen anderen Fahrradherstellern mit mehreren Fahrradmarken üblich war, um eine im Niedrigpreissektor angesiedelte Marke gehandelt haben.

Im Laufe der 1930er Jahre wuchs die Firma wieder. Bereits 1938 wurde die Fahrradproduktion jedoch eingestellt und stattdessen Luftschutzpumpen produziert. Im Telefonbuch des Ortes von 1942 wurde der einstige Fahrradhersteller bereits nicht mehr aufgeführt. Die Unterlagen des Betriebes wurden durch Kriegseinwirkungen vernichtet.



1946 bis 1962

1946 wurden die Maschinen des Betriebes demontiert, jedoch offenbar nicht abtransportiert, sondern von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) wieder freigegeben. Die Produktion wurde bereits Anfang Oktober 1945 wieder aufgenommen - hergestellt wurden hauptsächlich kleinere Metallwaren für Landwirtschaft und Haushalt sowie Fahrrad- und Autoluftpumpen aus Restbeständen der Luftschutzpumpen-Fertigung. Für 1948 nennt das Verzeichnis der Industriebetriebe der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands als Haupterzeugnisse der "Crinitzer Fahrradfabrik" Autoluftpumpen und Fahrradgepäckträger. Die Produktionsauflage für 1948 sah "Auto-, Motorrad- und Fahrradreserveteile" vor. Im Mai 1948 schlug der Bezirksinspektor der Volkseigenen Betriebe Brandenburgs die Wiederaufnahme der Fahrrad(teile)produktion vor, "und zwar Rahmen, Gabeln, Sattelstützen mit Getriebe und Steuersatz herzustellen. Es können ungefähr 60 bis 80 Stück Rahmen pro Tag erzeugt werden. Ich werde diese Angelegenheit bei der Industrieverwaltung Eisen u. Metall zur Aussprache bringen."

Anfang Februar 1947 wurde die Firma zunächst zur Hälfte enteignet (Anteil von Herta Herkner) und als Provinzialbetrieb (auf manchen Dokumenten als Landeseigener Betrieb aufgeführt, was offensichtlich als identisch anzusehen ist) unter Treuhandschaft gestellt. Der Treuhänder war gleichzeitig Betriebsleiter. Im Juli 1948 wurde die Firma vollständig enteignet, in Volkseigentum überführt und firmierte nun als Fahrradwerk Criniz VEB. Die Fahrradproduktion wurde im September 1949 wiederaufgenommen worden zu sein, bis 1950 wurden Fahrräder unter dem Markennamen Fortuna produziert. Spätestens 1950 begann man mit der Produktion von Fahrrädern der Marke Brandenburg. Für das Jahr 1950 ist auch die Produktion von Stahlrohrsesseln (auch für den Export) belegt.

Im Laufe der 1950er Jahre stieg mit der Fahrrad- bzw. Fahrradahmenproduktion auch die Belegschaft. Hatte das Fahrradwerk 1954 rund 40 Mitarbeiter, waren es Anfang der 1960er Jahre etwa 115. In den 1950er Jahren gab es Erfahrungsaustausche der Crinitzer Belegschaft mit Mitarbeitern der Mifa- und Möve-Werke.

Das NEUE DEUTSCHLAND vom 29. April 1959 berichtete, dass "[i]m Fahrradwerk Crinitz [...] in Kooperation mit dem Fahrradwerk 'Möwe' [sic!] in Mühlhausen und dem Karl-Marx-Werk in Magdeburg ein qualitativ gutes Moped [entstand]." Dabei handelte es sich offensichtlich um das, laut bisherigen Informationen, 1959 im VEB Möve-Werk entwickelte Moped "Perle", das jedoch über die Prototypenfertigung nicht hinaus kam. Weitere Informationen zu dieser Kooperation existieren bislang nicht.

Von etwa 1958 bis 1960/1961 lief nach Aussagen ehemaliger Mitarbeiter parallel zur Fahrradproduktion auch die Herstellung von Postrollbehältern; für das Jahr 1956 ist zudem die Produktion von Kabeltransport- und Verlegewagen nachgewiesen. Seit Ende der 1950er Jahre konnte sich das Crinitzer Fahrradwerk immer schlechter gegen die großen Fahrradhersteller der DDR (Mifa, Diamant, Möve) behaupten, so dass die Fahrradproduktion aufgrund mangelnder Rentabilität Ende 1962 eingestellt wurde. Die Umstellung zur Produktion von Landmaschinen erfolgte nahtlos. Die Reste der Fahrradproduktion wie auch das Archiv und sonstige schriftiche Unterlagen wurden in eine Traglufthalle ausgelagert; über den Verbleib ist nichts bekannt, vrmtl. wurden sie entsorgt.


Nachfolgebetriebe ab 1963

Nach der Auflösung des VEB Fahrradwerk Crinitz N/L wurde die Produktionsstätte Anfang 1963 Teil des VEB Landmaschinenbau Torgau, der 1970 Teil des Weimar-Kombinates wurde. Dieses Kombinat ging wiederum 1978 im Kombinat Fortschritt Landmaschinenbau auf. Am ehemaligen Produktionsstandort in Crinitz befindet sich heute ein Betrieb für Maschinenbau.

Fahrrad-Produktion

Die Informationen zur Fahrradproduktion im Fahrradwerk Crinitz beruhen auf Aussagen ehemaliger Mitarbeiter. Im Betrieb wurden demnach nur Rahmen, Vorderradgabeln, Lenker und Sattelstützen produziert. Die für den Rahmenbau notwendigen Rohre und Muffen wurden zugekauft (die Muffen vrmtl. aus dem Stanz- und Ziehwerk Oederan). Verkauft wurden hauptsächlich sog. Rahmensets, die aus Rahmen, Gabel, Glockengetriebe oder Keilgetriebe und Sattelstütze bestanden. Ebenfalls im Handel wurden "Vorbaulenker "Crinitz", verchromt, mit Innenklemme", Preis: 14,74 DM, angeboten (vgl. DHZ-Katalog "Fahrräder, Ersatz- und Zubehörteile" von 1956/57). Exemplare der 1932 patentierten, gefederten Fahrradgabel wurden nach dem Krieg nicht mehr gebaut.

Die Rahmenproduktion erfolgte in den Schritten 1.) Zuschneiden der Rohre, 2.) Stecken des Rahmens, 3.) Löten, 4.) Feilen, 5.) Richten, 6.) Beizen, 7.) Bondern (Phosphatieren), 8.) Lackieren. Gelötet wurde per Hand mit Messinglot. Schwarze Rahmen und Gabeln wurden tauchlackiert, bunte Rahmen und Gabeln gespritzt; der Lack wurde eingebrannt. Abschließend wurden die Rahmen ggf. liniert und Steuerkopfschilder und Dekore aufgebracht. Liniert wurde zuletzt von nur einer Mitarbeiterin.

Für Fahrradgabeln wurden die Gabelköpfe aus Stahlblech gestanzt und verschweißt, danach die Gabelscheiden eingelötet und anschließend gebogen.

Lenker und Sattelstützen wurden aus Rohr zugeschnitten, gebogen, gelötet, geschliffen und abschließend in einer eigenen Galvanik vernickelt und verchromt. Das zuvorige Verkupfern entfiel im Laufe der 1950er Jahre. Eine herstellerspezifische Kennzeichnung der Lenker und Sattelstützen gab es nicht.

Im Fahrradwerk Crinitz wurde, wie erwähnt, hauptsächlich Fahrradrahmen bzw. sogenannte Rahmensets hergestellt. Komplette Fahrräder produzierte man in geringem Umfang vermutlich nur bis Anfang der 1950er Jahre (1. Baureihe) und dann von etwa 1956 bis 1957/1958 (3. Baureihe). Die Initiative dafür ging von dem 1955 eingestellten Betriebsleiter aus. Die notwendigen Komponenten wurden direkt von den Herstellern zugekauft und damit jährlich etwa 300 vollständige Fahrräder gebaut. Das erwies sich jedoch als unrentabel und wurde daher bald wieder eingestellt.

Eine eigene Konstruktionsabteilung existierte im Crinitzer Fahrradwerk nicht. Teilweise wurden Unterlagen aus der Zeit vor 1945 verwendet, teilweise brachten einige Mitarbeiter, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg im Fahrradwerk gearbeitet hatten, ihr Wissen in die Nachkriegsproduktion ein.

Werbematerial für Produkte des Fahrradwerkes Crinitz wurde nicht herausgegeben. Einerseits fehlte dazu das Geld, andererseits gab es für die Produkte auch ohne Werbung problemlos Abnehmer. Produziert wurde hauptsächlich für regionale Händler. Zur Bedarfsermittlung wurden die Händler angeschrieben; nach deren gemeldetem Bedarf wurde die Produktion geplant und umgesetzt. Der Versand erfolgte per Bahn (es existierte ein naher Gleisanschluss), daneben holten Händler die Ware auch direkt ab.

Produkte