Fahrradwerk Crinitz N/L

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  • um 1923 Crinitzer Fahrradfabrik Otto Herkner
  • ab spätestens 1927 Herkona-Fahrradwerke Otto Herkner
  • 1948 Crinitzer Fahrradfabrik Otto Herkner, Crinitz (Niederlausitz), Am Bahnhof
  • ab etwa 1948 VEB (K) Fahrradwerk Crinitz N/L, Crinitz (Niederlausitz), (spätestens 1958: Am Bahnhof 3)

Hersteller von Fahrrädern der Marken Fortuna und Brandenburg sowie einzelner Fahrrad-Komponenten.

Geschichte

1910 bis 1945

Im Jahr 1910/1911 begann Otto Herkner sen., Bruder eines Dachziegelfabrikanten, mit der Produktion von Fahrrädern der Marke Herkona. Diese Marke wurde 1923 angemeldet. 1928 ging die Firma in Konkurs, Eigentümer waren zu dieser Zeit die Brüder Bernhard und Albert Herkner. 1929 wurde wurde die Firma wiedereröffnet, Eigentümer waren nun Johanna und Herta Herkner.

Um 1933 war die Firma weitestgegend bedeutungslos, nur wenige Arbeiter wurden beschäftigt. Dennoch wurde 1932 eine gefederte Fahrradgabel in Deutschland und Tschechien Patent angemeldet und in der Folge ein vollgefedertes Fahrrad angeboten.

Neben der Marke Herkona wurde etwa Mitte der 30er Jahre auch die Marke Grangsport produziert - angemeldet wurde der Markenname 1936. Es dürfte sich, wie es bei vielen anderen Fahrradherstellern üblich war, um eine im Niedrigpreissktor angesiedelte Marke gehandelt haben.

Im Laufe der 30er Jahre wuchs die Firma wieder. Bereits vor dem 2. Weltkrieg wurde die Fahrradproduktion jedoch eingestellt und stattdessen Luftschutzpumpen produziert. Im Telefonbuch des Ortes von 1942 wurde der einstige Fahrradhersteller bereits nicht mehr aufgeführt. Die Unterlagen des Betriebes wurden durch Kriegseinwirkungen vernichtet.



1946 bis 1962

1946 wurden die Maschinen des Betriebes demontiert, jedoch offenbar nicht abtransportiert, sondern von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) wieder freigegeben. In den folgenden Jahren hauptsächlich Herstellung kleinerer Metallwaren für Landwirtschaft und Haushalt. Das Verzeichnis der Industriebetriebe der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands von 1948 nennt als Haupterzeugnisse der "Crinitzer Fahrradfabrik" Autoluftpumpen und Fahrradgepäckträger.

Um 1948 wurde der Betrieb enteignet und in den VEB Fahrradwerk Crinitz N/L umgewandelt. Von etwa 1948 bis 1950 wurden Fahrräder unter dem Markennamen Fortuna produziert. 1950 begann man mit der Produktion von Fahrrädern der Marke Brandenburg.

1955 flüchtete Otto Herkner (vrmtl. jun.) nach Westdeutschland. Mit dem Fahrradwerk hatte er in den 50er Jahren nichts mehr zu tun.

Im Laufe der 1950er Jahre stieg mit der Rahmenproduktion auch die Belegschaft. Hatte das Fahrradwerk 1954 etwa 43 Mitarbeiter, waren es Anfang der 1960er Jahre etwa 114.

Von etwa 1958 bis 1960/1961 wurden parallel zur Fahrradproduktion aus Postrollbehälter hergestellt.

Werbematerial für Produkte des Fahrradwerkes Crinitz wurde nicht herausgegeben. Einerseits fehlte dazu das Geld, andererseits gab es für die Rahmensets und Lenker auch ohne Werbung problemlos Abnehmer. Produziert wurde hauptsächlich für regionale Händler. Zur Bedarfsermittlung wurden die Händler angeschrieben; nach deren gemeldetem Bedarf wurde die Produktion geplant und umgesetzt. Der Versand erfolgte per Bahn (es existierte ein naher Gleisanschluss), daneben holten Händler die Ware auch direkt ab.

In den 1950er Jahren gab es Erfahrungsaustausche der Crinitzer Belegschaft mit Mitarbeitern der Mifa- und Möve-Werke.

Seit Ende der 1950er Jahre konnte sich das Crinitzer Fahrradwerk immer schlechter gegen die vier großen Fahrradhersteller behaupten, so dass die Fahrradproduktion aufgrund mangelnder Rentabilität Ende 1962 eingestellt wurde. Die Umstellung zur Produktion von Landmaschinen erfolgte nahtlos. Zur Lagerung der Reste der Fahrradproduktion wurde eine Traglufthalle errichtet. Auch das Archiv und sonstige schriftiche Unterlagen wurden hier gelagert; über deren Verbleib ist nichts bekannt, vrmtl. wurden sie entsorgt.



Nachfolgebetriebe ab 1963

Nach dem Ende des VEB Fahrradwerk Crinitz N/L wurde die Produktionsstätte Anfang 1963 Teil des VEB Landmaschinenbau Torgau, der 1970 Teil des Weimar-Kombinates wurde. Dieses Kombinat ging wiederum 1978 im Kombinat Fortschritt Landmaschinenbau auf. Am ehemaligen Produktionsstandort in Crinitz befindet sich heute ein Betrieb für Maschinenbau.


Fahrrad-Produktion

Im Betrieb wurden Rahmen, Vorderradgabeln, Lenker und Sattelstützen produziert. Die für den Rahmenbau notwendigen Rohre und Muffen wurden zugekauft (die Muffen vrmtl. aus dem Stanz- und Ziehwerk Oederan). Verkauft wurden hauptsächlich sog. Rahmensets, die aus Rahmen, Gabel, Glockengetriebe oder Keilgetriebe und Sattelstütze bestanden. Ebenfalls im Handel wurden "Vorbaulenker "Crinitz", verchromt, mit Innenklemme", Preis: 14,74 DM, angeboten (vgl. DHZ-Katalog "Fahrräder, Ersatz- und Zubehörteile" von 1956). Exemplare der 1932 patentierten, gefederten Fahrradgabel wurden nach dem Krieg nicht mehr gebaut.

Die Rahmenproduktion erfolgte in den Schritten 1)Zuschneiden der Rohre 2)Stecken des Rahmens 3)Löten 4)Feilen 5)Richten 6)Beizen 7)Bondern (Phosphatieren) 8)Lackieren. Gelötet wurde per Hand mit Messinglot. Schwarze Rahmen und Gabeln wurden tauchlackiert, bunte Rahmen und Gabeln gespritzt. Der Lack wurde eingebrannt. Abschließend wurden die Rahmen ggf. liniert und Steuerkopfschilder und Dekore aufgebracht. Liniert wurde zuletzt von nur einer Mitarbeiterin.

Für Fahrradgabeln wurden die Gabelköpfe aus Stahlblech gestanzt und verschweißt, danach die Gabelscheiden eingelötet und anschließend gebogen.

Lenker und Sattelstützen wurden aus Rohr zugeschnitten, gebogen, gelötet, geschliffen und abschließend in einer eigenen Galvanik vernickelt und verchromt. Das zuvorige Verkupfern entfiel im Laufe der 1950er Jahre. Eine herstellerspezifische Kennzeichnung der Lenker und Sattelstützen gab es nicht.

Im Fahrradwerk Crinitz wurde hauptsächlich Fahrradrahmen bzw. sogenannte Rahmensets hergestellt. Komplette Fahrräder produzierte man offenbar nur bis Anfang der 1950er Jahre und dann von etwa 1956 bis 1957/1958. Die Initiative dafür ging von dem 1955 eingestellten Betriebsleiter aus. Die notwendigen Komponenten wurden direkt von den Herstellern zugekauft und damit jährlich etwa 300 vollständige Fahrräder gebaut. Diese Komplett-Montage war jedoch unrentabel, so dass sie bald wieder eingestellt wurde.

Eine eigene Konstruktionsabteilung existierte im Crinitzer Fahrradwerk nicht. Teilweise wurden Unterlagen aus der Zeit vor 1945 verwendet, teilweise brachten einige Mitarbeiter, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg im Fahrradwerk gearbeitet hattenm, ihr Wissen in die Nachkriegsproduktion ein. Einzelteile und ihre Maße (Muffen, Rohrdurchmesser etc.) waren zudem genormt.


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