Modelle Brandenburg
"Brandenburg" ist die Marke eines ehemals in Crinitz/Niederlausitz ansässigen Fahrradherstellers, der eher schlichte Räder in vergleichsweise geringer Stückzahl fertigte. Nicht zu verwechseln mit Rädern verschiedener westdeutscher Hersteller bzw. Konfektionäre, die ebenfalls Räder der Marke "Brandenburg" produzierten.
- Zur Baujahrbestimmung von Brandenburg-Fahrrädern siehe Datierung Brandenburg Fahrräder
Geschichte
Firma gegründet durch Otto Herkner, Bruder eines Dachziegelfabrikanten - das Gründungsjahr 1910/11. Bis 1945 Bestand der Marke "Herkona". 1946 Demontage der meisten Maschinen. In den folgenden Jahren Herstellung kleinerer Metallwaren für Landwirtschaft und Haushalt.
1951 Enteigung, Umwandlung in den "VEB Fahrradwerk Crinitz N/L". Beginn der Produktion von Fahrrädern der Marke "Brandenburg". Vermutlich 1961 Einstellung der Fahrradproduktion. Nachfolgebetrieb war der "Landmaschinenbau Torgau", der um 1970 im "Kombinat impulsa" (Landmaschinenbau) aufging. Dieses Kombinat ging wiederum 1978 im "Kombinat Fortschritt Landmaschinenbau" auf. Am ehemaligen Produktionsstandort in Crinitz befindet sich heute ein Betrieb für Maschinenbau.
Gebaut wurden in Crinitz hauptsächlich Rahmen und Gabeln, andere Teile waren DDR-Standard-Fahrradteile und wurden zugekauft. Ein Teil der Produktion gelangte als Rahmensets (Rahmen, Gabel, Glockengetriebe, Sattelstütze) in den Handel; diese Rahmen wurden dann von Fahrradhändlern (möglicherweise nach Kundenwunsch) komplettiert. Ebenfalls in Crinitz hergestellt wurden Fahrradlenker, für die es eine eigene Galvanik in der Fabrik gab. Im DHZ-Katalog "Fahrräder, Ersatz- und Zubehörteile" von 1956 wurden "Vorbaulenker "Crinitz", verchromt, mit Innenklemme" angeboten (Preis: 14,74 DM).
In den 50er Jahren soll auch die unten abgebildete, in den 30er Jahren entwickelte Federgabel gebaut bzw. verbaut worden sein (möglicherweise aus Vorkriegsbeständen).
In den Crinitzer Fahrradwerken wurden offenbar auch Räder anderer Fabrikate im Stile der "Brandenburg"-Fahrräder neu lackiert und mit Abziehbildern und Steuerkopfschildern versehen. Inwieweit das Einzelfälle waren oder Aufarbeitungen in größerem Stil durchgeführt wurden, ist nicht bekannt.
- Herkona.jpg
Steuerkopfschild von Herkona, 30er Jahre
Fahrräder - Ausstattung und Modelle
Linierung, Steuerkopfschilder und Abziehbilder
Die Räder der Marke "Brandenburg" waren in den ersten Jahren an Rahmen, Schutzblechen und Felgen liniert. Es gab zudem Ringlinierungen an den lackierten Bandverzierungen. Ab etwa 1954 fielen die Linierungen weg. Bei schwarz und rot lackierten Fahrrädern sind auch nach 1954 in Rahmenfarbe lackierte und weiß linierte Schutzbleche und Felgen belegt.
Bis etwa 1954 besaßen Brandenburg-Fahrräder noch kein Steuerkopfschild, sondern Abziehbilder in der Farbkombination Gelb-Silber-Rot auf dem Steuerkopf. Ab etwa 1954 bis zur Einstellung der Fahrradproduktion gab es ein Steuerkopfschild aus Alu - bekannt ist die Farbkombination Gelb-Blau. Dieses Schild war, verglichen mit Steuerkopfschildern anderer DDR-Fahrräder dieser Zeit, verhältnismäßig modern gestaltet.
- Abziehbild Steuerkopf.jpg
Abziehbild auf dem Steuerkopf, von 1951 bis etwa 1954.
Von 1951 bis etwa 1954 hatten alle Crinitzer Fahrräder auf dem Unterrohr ein obenliegendes Abziehbild mit dem Schriftzug "Brandenburg". Die Fahrräder ab 1954 hatten dann zwei seitlich auf dem Unterrohr angebrachte Abziehbilder mit neuem Layout. Dazu gab es Olympiaringe (ähnlich denen von Mifa), die die Abziehbilder am Unterrohr sowie das Abziehbild am Sattelrohr einfassten. Das kleine Abziehbild unterhalb der Sattelmuffe, das das Gütezeichen sowie eine Betriebsnummer zeigte, fiel offenbar ab 1954 weg.
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Schriftzug und Weltmeisterringe auf dem Unterrohr, ab vrmtl. 1954 bis vrmtl. 1961
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Herstellerkennzeichnung, Gütesiegel und Weltmeisterringe auf dem Sattelrohr, ab etwa 1954 bis 196?
Lackierung
Bekannte Farben:
- Schwarz
- Rot
- Weinrot
- Hellblau
- Dunkelblau
- Grün
- Türkis-metallic
- Pink-metallic
Die Lackierung ist im DHZ-Katalog von 1956 als "vollständig bunte Emaillierung" beschrieben (obwohl farbige Rahmen aber nicht im klassischen Sinne emailliert, sondern lackiert wurden). Es gab keine Grundierung des Rahmens, aber Klarlack als Überzug. Bei Modellen bis etwa Mitte der 1950er Jahre silberne Ringverzierungen an Unter- und Sattelrohr sowie an der Vorderradgabel. Ab etwa 1954 bis zur Einstellung der Produktion um 1961 wurden Rahmen nur noch einfarbig, ohne jede lackierte oder linierte Verzierungen produziert.
Ausstattung
Da viele Räder vermutlich nur als Rahmenset an Händler ausgeliefert wurden, lässt sich schwer ermitteln, welche Ausstattung(en) (etwa Anbauteile aus Stahl oder Alu, Lenker und Bremse, Beleuchtung, Sattel etc.) als "original" angesehen werden können. Grundsätzlich möglich ist daher die Ausstattung mit Anbauteilen, die im Produktionsjahr des jeweiligen Rahmens verfügbar waren.
Bekannte Ausstattungen:
- Felgen, Schutzbleche und Gepäckträger in Rahmenfarbe
- Alufelgen und Aluschutzbleche mit silbernem Stahlgepäckträger
- graue Stahlfelgen und -schutzbleche mit Gepäckträger in Rahmenfarbe
- graue Stahlfelgen und -schutzbleche mit grauem Gepäckträger
Mögliche Ausstattung:
- silberne Stahlfelgen, -schutzbleche und -gepäckträger
Es gab vermutlich auch Rahmen, die mit Sportradkomponenten ausgestattet wurden (z.B. Keiltretlager, Vorbaulenker)
Tretlager, Beleuchtung, Sattel, Werkzeugtasche, Griffe etc. waren Standardteile, wie sie zum Baujahr der Rahmen hergestellt und verfügbar waren. Bei einer Montage von Brandenburg-Rädern durch Händler ist anzunehmen, dass auch ältere Anbauteile genutzt wurden.
Brandenburg-Fahrräder haben eine Sattelstütze mit 25 mm Durchmesser.
Rahmengeometrie
Durch die Rahmengeometrie (kürzerer Radstand als bei anderen DDR-Tourenrädern der 1950er Jahre, höhere Lage des Tretlagers und des Oberrohres sowie eine schmalere Hinterradgabel) können nur Schutzbleche bis zu einer Breite von 57 mm verbaut werden, deren oben gelegenes Befestigungsloch im Gegensatz zu Schutzblechen für Diamant oder Mifa zudem weiter in Richtung Rahmen liegt. Die spezielle Rahmengeometrie macht sich auch im Fahrverhalten bemerkbar, das bereits in Richtung Sportrad tendiert.
Modelle
"Brandenburg"-Fahrräder gab es als Herren- und Damenradmodelle, Kinderräder gab es nicht. Die Damenräder hatten einen sportlichen Rahmen mit geraden Rohren, die Rahmenform glich der von Diamant-, Mifa- und IFA-Touring-Fahrrädern der 1980er Jahre.
Aufgrund fehlender Katalogabbildungen bzw. Kataloge, Prospekte oder Werksphotos des VEB Fahrradwerk Crinitz kann (derzeit) keine Aussage über unterschiedliche Modellvarianten, -bezeichnungen etc. gemacht werden. Generell ist fraglich, inwiefern veröffentlichtes Bildmaterial seitens des Herstellers überhaupt existiert hat. Nach Umstrukturierung bzw. Auflösung der Nachfolgebetriebe sind vermutlich viele, auch firmeninterne, Unterlagen zu "Brandenburg"-Fahrrädern verloren gegangen.
Offizielle Hinweise finden sich bislang nur im DHZ-Katalog (1956), wo "Touren-Rahmen - Herren "Crinitz 26" kpl., bunt emailliert 60,20 DM" und "Touren-Rahmen - Herren "Crinitz 28" kpl., bunt emailliert 67,20 DM", jedoch keine Damenrad-Rahmen angeboten wurden.
"Brandenburg" von 1958. Ursprüngliche Farbe des Rahmens Pink-Metallic, durch Lichteinfluß beinahe vollständig zu Grau verblichen. Rahmen ergänzt mit zeitgenössischen Anbauteilen. Zusätzlich ist eine seltene DDR-Schutzblechfigur auf dem vorderen Schutzblech angebracht.
Nebenstehendes Rad - Beleuchtungskomponenten von FEK, Sattel und Rahmentasche von Möve