Sortimentsbereinigung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 13. Oktober 2015, 21:54 Uhr

In der Zentralverwaltungswirtschaft (Planwirtschaft) der DDR wurde auch die gesamte Fahrradindustrie von der Staatlichen Plankommission (SPK) koordiniert. Die SPK gab im Rahmen der Fünfjahrpläne die zu erreichenden Produktionszahlen für jeden Betrieb vor.

Bis Ende der 1950er Jahre hatte das noch keinen spürbaren Einfluss auf die Modellpaletten der einzelnen Hersteller, die alle verschiedenste Modellvarianten im Angebot hatten. Allerdings waren bei den Sortimenten auch schon Spezialisierungsrichtungen erkennbar: Diamant hatte an seine Vorkriegstradition angeknüpft und neue Renn- und Sporträder entwickelt, Mifa baute einfache Kinderräder und Möve war alleiniger Hersteller von Saalsportmaschinen. Andererseits bauten alle Hersteller auch nahezu identische Modelle (z.B. schwere 28"-Tourenräder im Vorkriegsstil), die sich äußerlich nur in der Lackierung unterschieden. Bedingt durch die staatlich vorgeschriebenen Festpreise brachten die "Konkurrenzmodelle" der verschiedenen Hersteller auch keinen Preisvorteil für den Verbraucher mit sich. So lag 1956 der Verbraucherendpreis (VEP) für ein einfaches 28"-Herren-Tourenrad bei 203,- DM, gleich aus welchem Fahrradwerk es stammte.

Da dieses Nebeneinander von nahezu gleichen Fahrradmodellen nicht sinnvoll war, beschloss man eine grundlegende Neuorientierung der DDR-Fahrradindustrie. Diese Reform fand im Jahr 1959 mit weitreichenden Konsequenzen ihre Umsetzung in einer umfassenden Standardisierung und Typisierung der Fahrradmodelle und den zugehörigen Komponenten. Zunächst wurden die Zulieferteile standardisiert und teilweise vereinfacht, um die Produktionskapazitäten der Zulieferer besser auszulasten und die Versorgung der einzelnen Fahrradwerke zu verbessern. In einem zweiten Schritt folgte eine gründliche Sortimentsbereinigung bei den zu dieser Zeit noch produzierenden Fahrradwerken Diamant, Mifa und Möve. Standen dem Verbraucher vor dieser Bereinigung noch 46 verschiedene Fahrradmodelle aus DDR-Produktion zur Verfügung, halbierte sich dieses Angebot nun auf 23 Modelle. Zwar sollte diese Ausdünnung keine negativen Folgen auf die Modellauswahl haben, doch in der Markenauswahl war man nun abhängig vom Fahrradtyp stark eingeschränkt. Ob der noch bis Ende 1962 produzierende VEB Fahrradwerk Crinitz N/L in die Sortimentsbereinigung einbezogen wurde, ist ungewiss. Zu dieser Zeit produzierte man in Crinitz nur noch Fahrradrahmen (bzw. sog. Rahmensets). Insgesamt war der Betrieb wohl zu unbedeutend, um mit/für ihn zu werben (vergleiche die rechts abgebildeten Anzeigen).

Die Umsetzung der Sortimentsbereinigung in der Produktion begann offenbar mit Beginn des Jahres 1960, denn in einem Mifa-Katalog von 1959 hieß es: "Um die Standardisierung und Typisierung durchzuführen, werden ab Januar 1960 nicht mehr eine Vielzahl von Modellen in den einzelnen volkseigenen Fahrradwerken produziert."

Die neue (gemeinsame) Modellpalette ergab sich entsprechend der schon vorhandenen Spezialisierungen:

Hersteller Fahrradtypen
VEB Fahrradwerk Elite-Diamant, Karl-Marx-Stadt Rennräder und (Luxus-) Sporträder
VEB Mifa-Werk, Sangerhausen Damen-Tourenräder und Kinderräder
VEB Möve-Werk, Mühlhausen Herren-Tourenräder, Jugendräder, Saalsportmaschinen und Gepäckräder

Alle nun verfügbaren Modelle erhielten neue, dreistellige Bezeichnungen ("Typ"), denen eine "35" vorangestellt war, was offenbar das Fahrradsortiment als ganzes zusammenfassen sollte. Nicht selten entfiel diese "35" in Katalogen und Prospekten jedoch auch.

Aus der dreistelligen Modellnummer lassen sich Fahrradart, Rahmenform (für Damen oder Herren) sowie die Überarbeitung/Weiterentwicklung eines Modells recht genau ablesen. Die erste Ziffer bezeichnet die Art des Fahrrades und schlüsselt sich wie folgt auf:

Reihe Fahrradtyp Bemerkungen
100 Tourenräder 28", Sportliche Tourenräder 26"
200 Sporträder 28"
300 Jugendräder, Kinderräder bis einschließlich 24"
400 Kinderräder 20" und kleiner
500 Gepäckräder Ab 1983 auch Mifa-Universalfahrräder.
600 Tandems Ab 1986
700 Rennräder, Rennsporträder
800 Saalsporträder
900 Klappräder Ab 1967
1000 BMX-Fahrräder Ab 1988

Die zweite Ziffer der Modellnummer gibt an, ob es sich um ein Damen- oder ein Herrenrad handelt (auch bei Jugendrädern; ausgenommen Unisex-Räder wie Kinder-, Saalsport- oder Transporträder)). Eine 0 oder 1 (= überarbeitete Version) stehen dabei für Herrenräder, für Damenräder eine 5 oder 6 (= überarbeitete Version). Die letzte Ziffer der Modellnummer bezeichnet die (zumeist fortlaufende) Modell-Variante. Damit lässt sich eine vollständige Modellnummer wie folgt lesen: Mifa Modell 35 153 = Damen-Tourenrad (28"); Mifa Modell 35 211 = Herren-Sportrad (28") - überarbeitete Version des Modells 35 201.


Bei den meisten der seit 1959 weiterproduzierten Modelle hatte die Umbenennung zunächst keine technischen Änderungen zur Folge, aber schon kurz nach der Reform wurden einige Details verändert; u.a. weil durch die veränderte Produktion neue Verfahren entwickelt und eingesetzt wurden.

In zeitgenössischer Literatur wird die Richtigkeit der Sortimentsbereinigung mit den Produktionserfolgen der drei Fahrradwerke belegt und ein Produktionsvolumen von 2.000 Fahrrädern pro Tag angegeben.