Gangschaltung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. Januar 2014, 14:59 Uhr

Eine Gangschaltung ist eine Vorrichtung zur Änderung des Übersetzungsverhältnisses beim Antrieb eines Fahrrades. Damit wird eine größere Flexibilität erreicht, weil es so zum Beispiel möglich ist, den Kraftaufwand an Steigungen durch ein kleineres Übersetzungsverhältnis zu reduzieren oder auch um beim sportlichen Fahren mit einem größeren Übersetzungsverhältnis höhere Geschwindigkeiten zu erreichen.

In der Fahrradindustrie der DDR wurden zu diesem Zwecke ausschließlich Kettenschaltungen entwickelt und hergestellt, die aber nur an den teureren Fahrradmodellen werksseitig verbaut wurden. Allerdings waren die Schaltungskomponenten so gestaltet, dass sie an den meisten Fahrrädern nachgerüstet werden konnten. Eine Übersicht der dabei verwendeten Komponenten findet sich unten.

Anfang der 80er Jahre wurden im kleineren Umfang Sachs-Dreigang-Naben importiert, die an für den Export vorgesehenen Fahrradmodellen verbaut wurden, um damit dem Standard der Zielländer gerecht zu werden.


Hersteller von Schaltungskomponenten


Modelle und Ausführungen

FuS-Komponenten

Bei FuS Reichenbach wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst einfache Dreigang-Schaltwerke produziert, deren Konstruktion sich sehr stark an der in den 30er Jahren von Fichtel & Sachs patentierten Dreigang-Kettenschaltung anlehnte, aber im Gegensatz zum "Original" von F&S mit einer Kettenlaufrolle samt Leitblechen und Schalthebeln ohne Index ausgestattet war. Das Schaltwerk konnte mit Freilaufnaben und starren Naben mit Leerlaufritzel kombiniert werden.
Vrmtl. 1954, spätestens jedoch 1955 wurde die Fertigung der Dreigangschaltung von Fichtel und Sachs zu Optima verlegt. Ab diesem Jahr waren sowohl das Schaltwerk als auch die Schalthebel mit beiden Namen versehen, das Schaltwerk trug jedoch nur die Betriebsnummer von Optima. Eine zeitgenössische Anbauanleitung von 1955 nennt den "VEB Büromaschinenwerk 'Optima' Erfurt" als Hersteller der "Dreigangschaltung, System 'Fichtel & Sachs - Optima'". Der Zusatz FuS bezog sich demnach auf nur noch auf den Entwickler dieses Schaltungs-Systems.

FuS-Dreigang-Schaltwerk


FuS-Schalthebel



Optima-Komponenten

Die ersten in der DDR hergestellten Schaltungskomponenten für Renn- und Sporträder wurden ab Anfang der 50er Jahre vom Optima Büromaschinenwerk Erfurt entwickelt und ab 1954 zunächst am neuen Diamant-Rennrad Modell 167 verbaut. Neben dem dafür eingesetzten, sehr modernen Modell wurde auch eine einfache Schaltung nach Vorbild der Dreigang-Kettenschaltung von Fichtel & Sachs produziert. Allen Optima-Komponenten ist gemein, dass sie sehr exakt, aufwendig und hochwertig verarbeitet wurden; so wurden zum Beispiel die gestanzten Kanten sorgfältig entgratet und verschliffen.

Optima-Dreigang-Schaltwerk

Vrmtl. 1954, spätestens jedoch 1955 wurde die Fertigung der Dreigangschaltung von Fichtel und Sachs zu Optima verlegt. Ab diesem Jahr waren sowohl das Schaltwerk als auch die Schalthebel mit beiden Namen versehen, das Schaltwerk trug jedoch nur die Betriebsnummer von Optima. Eine zeitgenössische Anbauanleitung von 1955 nennt den "VEB Büromaschinenwerk 'Optima' Erfurt" als Hersteller der "Dreigangschaltung, System 'Fichtel & Sachs - Optima'". Der Zusatz FuS bezog sich demnach auf nur noch auf den Entwickler dieses Schaltungs-Systems. Ab Ende der 50er wurde die Produktion dieses Schaltwerks ohne technische Änderungen (wieder?) von Renak, vormals FuS, übernommen; die zugehörigen Schalthebel stammten weiterhin von Optima.



Optima-Viergang-Schaltwerke

Die Optima-Schaltwerke sind von der Konstruktion her stark an das Huret Champion Du Monde Schaltwerk angelehnt und zitieren dabei sowohl das Funktionsprinzip wie auch technisch relevante Abmessungen. In der kurzen Produktionszeit entstanden zwei Modelle, die sich deutlich in der Formgebung des Befestigungsarms und der Kettenleitbleche unterscheiden. Interessant ist dabei, dass die erste Version den Speichenanschlag (gewölbte Ausbuchung) noch am untersten Punkt des inneren Kettenleitblechs hatte, wo er völlig unwirksam war und so die Gefahr bestand, dass sich das Schaltwerk zum Beispiel bei einem gerissenen Schaltzug in den Speichen verfängt und beschädigt wird.
Bei der zweiten Ausführung wurde dieser Mangel dann beseitigt und der Anschlag auf Höhe des Drehpunkts angebracht. Diese Version wurde ab 1958 ohne technische Änderungen von Renak weiterproduziert. Späte Optima-Schaltwerke besitzen statt des charakteristischen Optima-Schriftzugs eine einfache Prägung aus dem Typensatz der Optima-Schreibmaschinen.



Optima-Umwerfer

Der für das Modell 167 entwickelte Umwerfer stellt eine Eigenentwicklung des Optima-Werks dar und zeichnet sich durch seine außergewöhnliche Konstruktion aus. Er kommt ohne Gussteile aus und besteht stattdessen fast ausschließlich aus Blechformteilen, was ihm unter anderem den Beinamen "Die Fischbüchse" einbrachte. Während der Führungsarm des Kettenleitblechs bei der ersten Version noch mit zwei soliden Metallstücken verstärkt war, wurde er bei der Weiterentwicklung nur noch aus zwei parallelen Blechstreifen gebogen, die an der höchstbelasteten Stelle zusätzlich durch Aussparungen geschwächt wurden. Dadurch konnte dieser Arm schnell verformt werden, wenn sich die Kette beim Wechsel vom kleinen auf das große Kettenblatt verklemmte und den Umwerfer nach vorn drückte, was dann zum Totalausfall des Umwerfers führte. Deshalb galt dieses Modell als nicht besonders zuverlässig und ist heute nur noch selten finden.



Optima-Schalthebel



Theilig-Schaltwerk

Das Schaltwerk "SCHALTFIX SUPER" der Leipziger Firma Theilig nimmt mit seiner gesamten Konzeption eine Sonderstellung unter den DDR-Fahrradschaltwerken ein und wurde nur als Zubehörteil zum Nachrüsten vertrieben. Sein Funktionsprinzip ähnelt dem in der BRD und Italien hergestellten Schaltwerken dieser Zeit, allerdings ist die Technik und Verarbeitung sehr einfach gehalten. Zudem wird das Schaltwerk statt über ein Schaltseil (Bowdenzug) mithilfe eines Gestänges bewegt. Neben der interessanten Konstruktion ist vor allem die Tatsache bemerkenswert, dass damit bis zu fünf Gänge schaltbar sein sollten - mehrere Jahre bevor in der DDR überhaupt mit der Fertigung von 5-fach-Ritzeln begonnen wurde.




Elgersburg-Umwerfer



Alda-Umwerfer



Renak-Komponenten

Renak-Dreigang-Schaltwerk


Renak-Viergang-Schaltwerke

Ab Ende der 50er Jahre stellte Renak auch Viergang-Schaltwerke her, die die aufwendig produzierten Optima-Schaltwerke ablösten und um 1960 technisch leicht variiert wurden. Mit Beendigung der Luxus-Sportrad-Produktion von Diamant im Jahr 1967 stellte Renak die Produktion der Viergang-Schaltwerke ein.



Renak-Fünfgang-Schaltwerk

Ende 1960 begann bei Renak die Serienproduktion der Teile für die neuentwickelte Fünfgang-Kettenschaltung. Diese wurde ausschließlich an Diamant Rennrädern verbaut, wobei sie in Kombination mit einem Umwerfer theoretisch zehn verschiedene Gänge möglich machte. Dabei blieb das gesamte Schaltwerk nahezu baugleich mit der Viergang-Variante, denn lediglich die Führungsbüchse wurde verkürzt, um das zusätzliche Ritzel erreichen zu können (siehe Vergleich unten). Ende der 60er Jahre wurde die Produktion des Renak-Fünfgang-Schaltwerks eingestellt. Stattdessen wurde nun die importierte Favorit-Schaltung (Model PWB) verbaut; die Fünffach-Ritzel kamen weiterhin von Renak.



Renak-Schalthebel

Im Gegensatz zu den Optima-Schalthebeln aus Aluminium bestehen die Renak-Schalthebel aus einer Zinklegierung. Dieses Material besitzt zwar eine höhere Dichte, sodass die in gleicher Form gegossenen Hebel spürbar schwerer sind, aber es bringt auch eine höhere Festigkeit mit sich. Zudem lässt es filigranere Konstruktionen zu, was bei der zweiten Version der Renak-Schalthebel umgesetzt wurde. Dadurch und durch den Verzicht auf die Stahl-Schaltkettchen an den Hebeln konnte annähernd wieder das Gewicht der Aluminium-Hebel erreicht werden.
Interessanterweise wurde für die linken Schalthebel der zweiten Ausführung keine eigene Gussform hergestellt. Stattdessen wurden rechte Schalthebel mit einer zusätzlichen Bohrung und einem Schlitz für die Schaltseilaufnahme versehen. Die bereits durch die Gussform vorgegebene Öffnung wurde dann nicht entgratet, woran diese ab Werk modifizierten Hebel erkennbar sind. (siehe Abbildung unten)
Möglich wurde dies erst durch die Tatsache, dass die Hebel grundsätzlich symmetrisch gestaltet sind.




Rasant-Umwerfer

Die erste Version des Rasant-Umwerfers wurde noch von Alda entwickelt und gebaut. Mitte der 60er Jahre übernahm die Otto Schmidt KG die Fertigung und produzierte den Umwerfer von da an 25 Jahre ohne technische Änderungen. Lediglich die ursprünglich verchromten Teile wurden ab den 70er Jahren verzinkt ausgeführt, was vermutlich vor allem die Kosten senken bzw. wertvolle Rohstoffe einsparen sollte. In den 80er Jahren wurde der Umwerfer unter der Bezeichnung Kettenwerfer W 10 auch im VEB Pumpen- und Gebläsewerk Leipzig hergestellt, wobei diese Exemplare leicht an dem stark vereinfachten Schriftzug zu erkennen sind. (siehe unten)




Favorit-Komponenten

Ab Ende der 60er Jahre wurden alle Rennrad-Modelle mit der aus der Tschechoslowakei importierten Kettenschaltung von Favorit ausgerüstet, da die pull-chain-Technik der Renak-Schaltwerke mittlerweile als überholt galt. Das solide gefertigte Favorit-Schaltwerk Model PWB (Friedensfahrtroute Prag-Warschau-Berlin) galt hingegen als modern, weil es bereits nach dem bis heute üblichen Parallelogramm-Prinzip arbeitete. Da die ebenfalls importierten Schalthebel mittels einer Schelle am Rahmen befestigt wurden, waren die angelöteten Schaltsockel der Diamant-Rahmen mit der Umstellung überflüssig und entfielen ersatzlos.
Bei Tourensport- und Sporträdern konnte die Schaltung einfach nachgerüstet werden. Ab Anfang der 80er Jahre wurden einige Tourensport- und Sportradmodelle serienmäßig mit einer Favorit-Kettenschaltung ausgestattet.

Favorit-Schaltwerke


Favorit-Umwerfer


Favorit-Schalthebel



Tectoron-Komponenten

In den 80er Jahren begann man in der DDR wieder mit der Produktion einer neuentwickelten Kettenschaltung, die unter der Bezeichnung "tectoron" KS-01 vertrieben wurde. Das Schaltwerk erinnert optisch sehr stark an die älteren Campagnolo-Modelle. Hersteller war der VEB Polygraph Druckmaschinenwerke Leipzig und mit 95 Mark war das Komplettset vergleichsweise teuer.

Tectoron-Schaltwerke


Tectoron-Schalthebel



Sonstige Komponenten

Neben den industriell hergestellten Komponenten entstanden aus Mangel und Unzufriedenheit mit den vorhandenen Lösungen auch verschiedene Kleinserien und interessante Einzelanfertigungen, von denen nachfolgend einige gezeigt werden sollen.

Schalthebel