Fahrradwerk Crinitz N/L: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 18. März 2013, 15:10 Uhr

VEB Fahrradwerk Crinitz N/L (Niederlausitz)

Hersteller von Fahrrädern der Marken Fortuna und Brandenburg. Die Fahrräder der Marke Brandenburg sind nicht zu verechseln mit gleichnamigen Produkten verschiedener westdeutscher Hersteller bzw. Konfektionäre.


Geschichte

1910 - 1945

Im Jahr 1910/1911 begann Otto Herkner sen., Bruder eines Dachziegelfabrikanten, mit der Produktion von Fahrrädern der Marke Herkona. 1928 ging die Firma in Konkurs, Eigentümer waren zu dieser Zeit die Brüder Bernhard und Albert Herkner. 1929 wurde wurde die Firma wiedereröffnet, Eigentümer waren nun Johanna und Herta Herkner.

Um 1933 war die Firma weitestgegend bedeutungslos, nur wenige Arbeiter wurden beschäftigt. Dennoch wurde 1932 eine gefederte Fahrradgabel in Deutschland und Tschechien Patent angemeldet und in der Folge ein vollgefedertes Fahrrad angeboten.

Neben der Marke Herkona wurde etwa Mitte der 30er Jahre auch die Marke Grangsport produziert. Es dürfte sich, wie es bei vielen anderen Fahrradherstellern üblich war, um eine im Niedrigpreissktor angesiedelte Tochter-Marke gehandelt haben.

Im Laufe der 30er Jahre wuchs die Firma wieder. Bereits vor dem 2. Weltkrieg wurde die Fahrradproduktion jedoch eingestellt und stattdessen Luftschutzpumpen produziert. Im Telefonbuch des Ortes von 1942 wurde der einstige Fahrradhersteller bereits nicht mehr aufgeführt. Die Unterlagen des Betriebes wurden durch Kriegseinwirkungen vernichtet.

1945 bis 1962

1946 wurden die Maschinen des Betriebes demontiert, jedoch offenbar nicht abtransportiert, sondern von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) wieder freigegeben. In den folgenden Jahren Herstellung kleinerer Metallwaren für Landwirtschaft und Haushalt.

Vrmtl. 1948 wurde der Betrieb enteignet und in den VEB Fahrradwerk Crinitz N/L umgewandelt. Von etwa 1948 bis 1950 wurden Fahrräder unter dem Markennamen Fortuna produziert. 1950 begann man mit der Produktion von Fahrrädern der Marke Brandenburg.

1955 flüchtete Otto Herkner (vrmtl. jun.) nach Westdeutschland. Mit dem Fahrradwerk hatte er in den 50er Jahren nichts mehr zu tun.

Im Laufe der 1950er Jahre stieg mit der Rahmenproduktion auch die Belegschaft. Hatte das Fahrradwerk 1954 etwa 43 Mitarbeiter, waren es Anfang der 1960er Jahre etwa 114.

Von etwa 1958 bis 1960/1961 wurden parrallel zur Fahrradproduktion aus Postrollbehälter hergestellt.

Werbematerial für Produkte des Fahrradwerkes Crinitz existierte nicht. Einerseits fehlte dazu das Geld, andererseits gab es für die Rahmensets und Lenker auch ohne Werbung problemlos Abnehmer. Produziert wurde hauptsächlich für regionale Händler. Zur Bedarfsermittlung wurden die Händler angeschrieben; nach deren gemeldetem Bedarf wurde die Produktion geplant und durchgeführt. Der Versand erfolgte per Bahn (es existierte ein naher Gleisanschluss), daneben holten Händler die Ware auch direkt ab.

In den 1950er Jahren gab es Erfahrungsaustausche der Crinitzer Belegschaft mit Mitarbeitern der Mifa- und Möve-Werke.

Seit Ende der 1950er Jahre konnte sich das Crinitzer Fahrradwerk immer schlechter gegen die vier großen Fahrradhersteller behaupten, so dass die Fahrradproduktion aufgrund mangelnder Rentabilität Ende 1962 schließlich eingestellt wurde. Die Umstellung zur Produktion von Landmaschinen erfolgte nahtlos. Zur Lagerung der Reste der Rahmenproduktion wurde eine Traglufthalle errichtet. Auch das Archiv und sonstige schriftiche Unterlagen wurden hier gelagert; über deren Verbleib ist nichts bekannt, vrmtl. wurden sie entsorgt.

Nachfolgebetriebe ab 1963

Nach dem Ende des VEB Fahrradwerk Crinitz N/L wurde die Produktionsstätte Anfang 1963 Teil des VEB Landmaschinenbau Torgau, der 1970 Teil des Weimar-Kombinates wurde. Dieses Kombinat ging wiederum 1978 im Kombinat Fortschritt Landmaschinenbau auf. Am ehemaligen Produktionsstandort in Crinitz befindet sich heute ein Betrieb für Maschinenbau.


Fahrrad-Produktion

Im Betrieb wurden Rahmen, Vorderradgabeln, Lenker ("NSU"-Lenker und sportliche Lenker - sog. "Schwalbenlenker") und Sattelstützenwurden produziert. Die für den Rahmenbau notwendigen Rohre und Muffen wurden zugekauft (die Muffen vrmtl. aus dem Stanz- und Ziehwerk Oederan). Verkauft wurden hauptsächlich sog. Rahmensets, die aus Rahmen, Gabel, Glockengetriebe oder Keilgetriebe und Sattelstütze bestanden. Ebenfalls im Handel wurden "Vorbaulenker "Crinitz", verchromt, mit Innenklemme", Preis: 14,74 DM, angeboten (vgl. DHZ-Katalog "Fahrräder, Ersatz- und Zubehörteile" von 1956). Exemplare der 1932 patentierten, gefederten Fahrradgabel wurden in den 50er Jahren nicht mehr gebaut.

Die Rahmenproduktion erfolgte in den Schritten 1)Zuschneiden der Rohre 2)Stecken des Rahmens 3)Löten 4)Feilen 5)Richten 6)Beizen 7)Bondern 8)Lackieren. Gelötet wurde per Hand mit Messinglot. Schwarze Rahmen und Gabeln wurden tauchlackiert, farbige Rahmen und Gabeln gespritzt. Der Lack wurde eingebrannt. Abschließend wurden die Rahmen ggf. liniert und Steuerkopfschilder und Dekore aufgebracht. Liniert wurde zuletzt von nur einer Mitarbeiterin.

Für Fahrradgabeln wurden die Gabelköpfe aus Stahlblech gestanzt und verschweißt, danach die Gabelscheiden eingelötet und anschließend gebogen.

Lenker und Sattelstützen wurden aus Rohr zugeschnitten, gebogen, gelötet, geschliffen und abschließend in einer eigenen Galvanik vernickelt und verchromt. Das zuvorige Verkupfern entfiel im Laufe der 1950er Jahre. Eine herstellerspezifische Kennzeichnung der Lenker gab es nicht.

Im Fahrradwerk Crinitz wurde hauptsächlich nur Fahrradrahmen bzw. sog. Rahmensets hergestellt. Komplette Fahrräder produzierte man offenbar nur bis Anfang der 1950er Jahre und dann von etwa 1956 bis 1957/1958. Die Initiative dafür ging von dem seit 1955 neu eingestellten Betriebsleiter aus. Die notwendigen Komponenten wurden direkt von den Herstellern zugekauft und so jährlich etwa 300 vollständige Fahrräder montiert und ausgeliefert. Diese Komplett-Montage war jedoch unrentabel, so dass sie bald wieder eingestellt wurde.

Eine eigene Konstruktionsabteilung existierte im Crinitzer Fahrradwerk nicht. Es wurden Unterlagen aus der Zeit vor 1945 verwendet. Einige Mitarbeiter hatten zudem bereits vor dem Zweiten Weltkrieg im Fahrradwerk gearbeitet und brachten ihr Wissen in die Nachkriegsproduktion ein. Einzelteile und ihre Maße (Muffen, Rohrdurchmesser etc.) waren zudem genormt.



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