Hilfsmotoren

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Fahrräder mit Hilfsmotoren

Artikel in der Fachzeitschrift Kraftfahrzeugtechnik, Ausgabe April 1954, zu Fahrradhilfsmotoren und zur neuen Fahrzeugklasse Moped.

Eine eher kurzfristige Erscheinung im Straßenverkehr der 1950er Jahre waren Fahrräder mit Hilfsmotoren. Sie waren konstruktiv noch unterhalb der für die 1930er Jahren typischen Motorfahrräder (mit 98 cm³-Motor) angesiedelt. Hilfsmotoren konnten an handelsübliche Fahrräder montiert werden und waren zur Ergänzung des Moped- und Motorradangebotes gedacht. Nach nur wenigen Jahren war die Phase der Fahrrad-Hilfsmotoren jedoch vorbei. Wenn sich schon das HMW-Motorfahrrad kaum gegen die leistungsstärkeren Mopeds und Motorräder von MZ und Simson durchsetzen konnte, so galt dies umso mehr für die verschiedenen Hilfsmotor-Typen. Sowohl Käufer als auch Konstrukteure mussten zudem einsehen, dass ein handelsübliches Fahrrad selbst mit einem nur etwa 1 PS leistenden Hilfsmotor überfordert war. Bedingt durch die eher unkultiviert laufenden Zweitakter kam es häufig zu Speichenbrüchen, selbst Rahmenschäden waren im Dauerbetrieb nichts Ungewöhnliches, weshalb z.B. Diamant auch ausdrücklich "Fahrräder, in die ein Hilfsmotor eingebaut ist oder war" von der Garantie ausschloss. Wegen dieser Probleme, aber auch wegen der besser werdenden Verfügbarkeit von vollwertigen Krafträdern, verschwanden die Hilfsmotoren nach 1960 recht schnell wieder aus dem Straßenbild. Ersatzteile - zumindest für den "MAW" und den "Steppke" - wurden jedoch noch einige Jahre weiter produziert.




MAW

MAW-Logo

Das wohl erfolgreichste Produkt des VEB Meßgeräte und Armaturenwerk "Karl Marx" (MAW) war ein Anbaumotor, der in verschiedenen Varianten z.B. als Hilfsmotor für Fahrräder, aber auch für Boote konzipiert war. Er wurde von Rudolf Bauer konstruiert und kostete zunächst 485 Mark, ab 1956 dann bis mind. 1959 285 DM. Ab spätestens Juni 1960 wurden "MAW"-Fahrradhilfsmotoren teilweise zum Sonderpreis von 225 DM verkauft. 1961 lag der reguläre Verkaufspreis schließlich bei 158 DM. Die Motoren-Produktion begann 1954, vrmtl. im August oder September. Noch im ersten Jahr wurden nach offiziellen Angaben 9.500 Motoren hergestellt, davon allein 500 Stück für Werksangehörige. Verkaufsstart war vrmtl. erst im Jahr 1955. In den ersten 15 Monaten wurden 50.000 MAW-Motoren gebaut; 1959 warb man mit bis dahin über 85.000 gebauten Motoren. Bis 1961 verließen schließlich insgesamt rund 170.000 Motoren das Werk.
Optisch und konstruktiv ähnelt der Motor sehr stark dem Hilfsmotor der Westberliner AMO Motoren GmbH Berlin-Schöneberg (1950 bis 1953 gebaut). Ob es sich beim MAW-Hilfsmotor um eine Kopie des AMO-Motors handelt, oder ob er auf legalem Wege nachgebaut wurde, scheint noch nicht geklärt.

Im Buch "Kleinkraftfahrzeuge" von Ingenieur Utz Rochel (1955) wird der MAW-Anbaumotor mit "Brummer" betitelt. Dieser Name konnte sich bei den Nutzern des Motors (bis heute) offensichtlich nicht durchsetzen. Es blieb im Allgemeinen bei der Bezeichnung MAW.

Der ausschließlich als Zubehörteil erhältliche Motor wurde mit Schellen an das linke hintere Rahmenteil bei Herren- und auch Damenfahrräder angebaut. Durch eine Spreizkupplung und eine kurze Kette wurde die Kraft auf das Hinterrad übertragen. Wegen der wirkenden Kräfte waren die Hinterräder mit stärkeren Speichen ausgestattet und der Anbau war an allen handelsüblichen Fahrrädern möglich. Die Tanks für den notwendigen Benzinvorrat waren unterhalb des Sattels angebracht, am Lenker befand sich ein Dekompressionshebel zum Ausschalten des Motors. Die Höchstgeschwindigkeit war offiziell mit 35 km/h angegeben; von Nutzern des Maw-Motors sind aber auch Geschwindigkeiten von über 50 km/h überliefert.

Vergleich des überarbeiteten MAW-Motors (links) mit der ersten Ausführung.

Bereits 1956 wurde der Motor überarbeitet:

  • Gewichtsreduzierung von 7 auf 6 kg.
  • Verringerung der Gehäusewanddicke von im Mittel um 1 mm, der Zylinderaußendurchmesser auf 12 mm.
  • Verbesserung des Leistungsgewichtes von 5,4 auf 4,6 kg/PSe.
  • Wegfall von 15 Schrauben und 9 Muttern einschließlich Unterlegscheiben und Federringen.
  • Wegfall der Dekompression und der Kurbelgehäuse-Spülschraube
  • Leichterer Kolbenbolzen.
  • Sintermetallager für die Vorlegewelle.
  • Kürzerer Auspuff.

Mit der erzielten Serienreife 1956/1957 war aber die Blütezeit eines Anbaumotors durch die Simson-Mopeds SR1 und SR2 längst überholt. Diese Art des Fahrradantriebes verschwand deshalb recht schnell vom Straßenbild.

Auf Basis des MAW-Triebwerks entstanden auch Krankenfahrstühle, der Seitenbordmotor "Pfeil" (ab Herbst 1959), Rasenmäher, Kleinstmotorroller (u.a. der Typ "Klein Mego") sowie ein Motorfahrrad der Firma Alfred Hammer. Auch im 1959 vom VEB Möve Mühlhausen entwickelten, aber nicht in die Serienfertigung überführten Moped "Perle" diente der MAW-Motor als Antrieb.


Hersteller

  • VEB Messgeräte und Armaturenwerk "Karl Marx" (ab 1960: VEB Magdeburger Armaturenwerke)

Technische Daten MAW

  • Hubraum: 49,5 ccm
  • Leistung: 1,3 PS
  • Gewicht des Motors: 6 kg (bis 1956 7 kg)
  • Tankinhalt: 2,3 Liter
  • Kraftübertragung: mittels Kette auf das Hinterrad

Steppke

Steppke-Logo
Abziehbild auf dem Tank

Markenname für einen Fahrradhilfsmotor, der im Herbst 1953 auf der Leipziger Messe vorgestellt wurde und von 1954 bis 1956 vom VEB Werkzeugmaschinenfabrik Treptow (Berlin) produziert wurde. Beachtenswert ist, dass bereits im September 1952 im "Amtlichen Führer durch die Leipziger Messe" ein "Steppke"-Hilfsmotor mit "18 ccm" aufgeführt wurde, hergestellt vom VEB Gerätewerk Berlin-Friedrichshagen, Berlin-Friedrichshagen, Peter-Hille-Straße 111.

Gebaut wurden wurden ca. 30.000 Motoren - nach dem MAW-Hilfsmotor war der "Steppke" somit der am zweithäufigsten produzierte Fahrrad-Anbaumotor in der DDR. 1956 betrug der Preis für den "Steppke" 250 DM.

Montiert wurde der Motor unter dem Tretlager. Die Kraft wurde durch eine Reibrolle, die mit einem Gestänge betätigt wurde, auf das Hinterrad übertragen. Konzeptionell und optisch hatte der "Steppke" große Ähnlichkeiten mit dem italienischen Fahrrad-Hilfsmotor Mosquito.

Hersteller

  • 1952 VEB Gerätewerk Berlin-Friedrichshagen, Berlin-Friedrichshagen, Peter-Hille-Straße 111
  • 1953 bis 1956 VEB Werkzeugmaschinenfabrik Treptow, Berlin-Treptow, Kiefholzstraße 1/4

Technische Daten Steppke

  • Motor: 1-Zylinder-Zweitakt
  • Leistung: 0,8 PS
  • Hubraum: 38,5 cm³
  • Hub: 40 mm
  • Bohrung: 35 mm
  • Verdichtung: 6:1
  • Kühlung: Luftkühlung (Fahrtwind)
  • Kraftübertragung: sechsfach verstellbare Reibrolle auf das Hinterrad wirkend
  • Leergewicht: 6,6 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: 35 km/h


Haza 25 D

HAZA-Logo

Eine Sonderstellung unter den DDR-Hilfsmotoren nimmt der vom Dresdner Unternehmer Gottlieb Haza und dem Konstrukteur Max Rietscher entwickelte und 1954 vorgestellte Haza 25 D ein. Nicht nur weil es einer der wenigen von einem Privatunternehmen in Serie gebaute Hilfsmotor war, sondern auch weil dessen Zweitakt-Selbstzünder-Prinzip ("Diesel") von keinem anderen DDR-Hersteller genutzt wurde. Als Vorbild diente stattdessen der westdeutsche Lohmann-Motor. Wie dieser verfügte der Haza 25 D über einen variablen Brennraum, mit dem die Kompression über einen Drehgriff am Lenker eingestellt und der Motor so gesteuert werden konnte. Dass auch der Start nur bei der richtigen Wahl der Kompression möglich war, überforderte die meisten Kunden und sorgte neben verschiedenen anderen Problemen für zahlreiche Reklamationen. Die technischen Probleme, aber vor allem der Preisverfall durch die Konkurrenz der anderen Motoren-Hersteller und die staatliche Regulierung zwangen Gottlieb Haza letztlich die verlustreiche Motorenproduktion 1958 nach etwa 1.500 Stück einzustellen. Hersteller-Hinweise zu Hilfsmotoren von Gottlieb Haza finden sich im Bezugsquellennachweis Wer liefert was? der Jahrgänge 1952 bis 1955.

Hersteller

  • Zentrifugen- und Motorenbau G. Haza, Dresden N 13, Radeburger Straße

Technische Daten Haza

  • Motor: 1-Zylinder
  • Leistung: 0,9 PS
  • Hubraum:
  • Hub:
  • Bohrung:
  • Verdichtung: variabel
  • Kühlung: Luftkühlung (Fahrtwind)
  • Kraftübertragung: Reibrolle auf das Hinterrad wirkend
  • Leergewicht:
  • Höchstgeschwindigkeit: ca. 30 km/h


Kratmo

Walter Kratzsch, geboren 1899, Ingenieur und Motorenkonstrukteur, fertigte, neben Modellbenzinmotoren, von 1947 bis 1951 im thüringischen Gößnitz (Kreis Altenburg) auch Fahrradhilfsmotoren, die unter dem Namen Kratmo bekannt sind. Belege über die Produktion dieser Motoren finden sich u.a. im Bezugsquellennachweis Wer liefert was? der Jahrgänge 1948 und 1950. Ein Artikel in der NEUEN ZEIT vom 20. Januar 1949 berichtete, dass "[...] nacheinander zwei Typen von Einbaumotoren für Fahrräder gebaut worden [sind]; der 38-ccm-Motor wird wahrscheinlich in aller Kürze von einem Magdeburger Werk in Lizenz genommen werden. Da es nicht möglich ist, die elektrische Ausstattung von Bosch zu beziehen, ist in Gößnitz ein eigener Zündmagnet konstruiert worden, der sich im Versuchsbau durchaus bewährt hat." Im "Bezugsquellen-Nachweis für den Einkauf" von 1950 werden "Fahrradmotore, Fahrräder mit Motor [und] Auto mit Heckmotor-Antrieb" als Produkte der Firma aufgeführt.

Das erste Motoren-Modell 35 FM besaß laut einer Beschreibung von 1948 eine Mehrscheiben-Lamellen-Kupplung, Zweiganggetriebe (Kurbeltrieb und Getriebe in einem Block), dreifach gelagerte Kurbelwelle, Zündlichtmaschine und Absaugkühlung.

Das zweite Motoren-Modell, sehr wahrscheinlich mit der Bezeichnung 40 FM, wurde ab spätestens 1950 und offenbar in zwei Varianten gebaut - Unterlagen aus dem Jahr 1950 nennen unterschiedliche Angaben zu Hub und Bohrung (37x37, 41x35) sowie zu Kupplung und Kraftübertragung (Trockenkupplung und Reibrad, Reibradkupplung und Kettenantrieb). Der Preis betrug zuletzt 270 DM.

Nach 1951 endete der Bau von Motoren in Gößnitz. Walter Kratzsch ging in den frühen 1950er Jahren in die Bundesrepublik und entwickelte dort Mopedmotoren.

Hersteller

  • bis 1951 Motorenbau Walter Kratzsch, Gößnitz (Thür.), Taupaler Weg

Technische Daten Kratmo 35 FM

  • Motor: 1-Zylinder
  • Leistung: knapp 1 PS
  • Hubraum: 35 cm³
  • Hub: 35
  • Bohrung: 36
  • Verdichtung: ??
  • Anzahl der Gänge: 2
  • Kühlung: Gebläsekühlung
  • Kraftübertragung: mittels Kette auf das Hinterrad
  • Leergewicht: ca. 7,5 kg; mit Tank, Kettenrad und Motorträger ca. 10 kg
  • Durchschnittsgeschwindigkeit: 25 km/h

Technische Daten Kratmo Kratmo 40 FM

  • Motor: 1-Zylinder
  • Leistung: rund 1 PS
  • Hubraum: 40 cm³
  • Hub: 37 / 35
  • Bohrung: 37 / 35
  • Verdichtung: ??
  • Anzahl der Gänge: ??
  • Kühlung: Luftkühlung (Fahrtwind)
  • Kraftübertragung: mittels Kette auf das Hinterrad / Reibrolle auf das Hinterrad wirkend
  • Leergewicht: ??
  • Höchstgeschwindigkeit: ??


Student

Unter der Bezeichnung "Student" sind verschiedene Fahrradhilfsmotoren bekannt, die sich in einem wesentlichen Punkt, nämlich der Montage über dem Vorderrad, gleichen.

Der Hilfsmotor "Student" wurde von Bernhard-Hellmuth Kratzsch, Zella-Mehlis entworfen und nur zum Selbstbau angeboten. Ziel der Entwicklung war offenbar ein Motor v. a. als Lern- und Anschauungsobjekt für die Ausbildung im KFZ-Handwerk (Name!). In der Zeitschrift Das Handwerk, Fachausgabe Fahrzeugbau und Elektrohandwerk, Ausgabe März 1951 heißt es dazu: "Eine lehrreiche Anschauung für den Nachwuchs im Kraftfahrzeughandwerk vermittelt der Selbstbau von Modellmotoren. Gleichzeitig werden dadurch die erlernten Fähigkeiten einer gründlichen Prüfung unterzogen. [...] Dort aber, wo Zeichnungen und Einzelteile zu rein schulischen Zwecken, z.B. an einer Fachberufsschule Anwendung finden, kann der zerlegte Kleinmotor 'Student' sehr viel dazu beitragen, das im Fünfjahrplan geforderte Ausbildungsziel des Nachwuchses gut zu unterstützen."

Ende 1950 wurde der Motor erstmals vorgestellt, ab spätestens 1951 wurden vom Ingenieurbüro Kratzsch die erforderlichen Konstruktionszeichnungen sowie Guss-Teile, Kolbenringe und Kolben, die vom Selbstbauer nicht hergestellt werden konnten, zum Kauf angeboten. 1952 wurde der Motor als "Student Typ KM" beworben; ob und inwieweit Unterschiede zum 1950 vorgestellten "Student" bestehen, ist nicht bekannt.

Wie alle anderen Fahrradhilsmotoren aus der DDR war auch der "Student" als luftgekühlter Zweitaktmotor konzipiert. Seine Besonderheiten lagen in der technisch sehr einfachen Konstruktion, die im wesentlichen durch einen Mechaniker nach Anleitung selbst hergestellt werden konnte, sowie in seiner Positionierung über dem Vorderrad. Der Motor war zudem für eine Batteriezündung vorgesehen (6-Volt-Motorradbatterie, am Fahrradrahmen anzubringen).

Technische Daten Student (nur als Bauplan angeboten)

  • Motor: Zweitakt, Einzylinder
  • Leistung: etwa 0,75 PS
  • Hubraum: 35cm³
  • Hub: 40
  • Bohrung: 33
  • Verdichtung: ??
  • Anzahl der Gänge: 1 (Untersetzung 1:4)
  • Kühlung: Luftkühlung (Fahrtwind)
  • Kraftübertragung: durch Keilriemen auf das Vorderrad
  • Leergewicht: ??
  • Durchschnittsgeschwindigkeit: 15 - 20 km/h


Technische Daten Student Typ KM (nur als Bauplan angeboten)

  • Motor: Zweitakt, Einzylinder
  • Leistung: ??
  • Hubraum: 34cm³/40 cm³
  • Hub: ??
  • Bohrung: ??
  • Verdichtung: ??
  • Anzahl der Gänge: ??
  • Kühlung: Luftkühlung (Fahrtwind)
  • Kraftübertragung: vrmtl. durch Reibrolle auf das Vorderrad wirkend
  • Leergewicht: ??
  • Höchstgeschwindigkeit: ??


Ein weiterer Hilfsmotor mit der Bezeichnung "Student" wurde vom VEB (K) Metallwarenfabrik Zella-Mehlis gebaut und auf der Leipziger Messe (vrmtl. Herbstmesse 1953) vorgestellt. Zu diesem Motor erschien in der Ausgabe 1/1954 der Zeitschrift "Das Fahrzeug" ein ausführlicher Artikel:

"[...] Der Hilfsmotor 'Student' des VEB (K) Metallwarenfabrik Zella-Mehlis ist ein ausgesprochener HIMO. Beim Entwurf lag nur das Ziel zugrunde, einen einfachen, betriebssicheren und schnell anbaufähigen Kleinmotor zu schaffen, der es erlaubt, das Fahrrad in der Ebene gewissermaßen ständig im Freilauf gehen zu lassen und am Berg dem Fahrer das Treten zu erleichtern. Einfachste Bedienungs- und Wartungsmöglichkeiten ergeben sich natürlich nur mit einfachstem Bauaufwand, weshalb der Motor als sogenannter Reibrollenzweitakter ohne jede Untersetzung der Kurbelwelle über dem Vorderrad angeordnet wurde und dasselbe antreibt. Man wird jetzt fragen: 'Warum wieder eine Reibrolle, die schon so viele Male war, sich nicht bewährte und womöglich die Reifen stark verschleißt?' Diese Frage ist schnell beantwortet. Nehmen wir einen Zahnkranz und befestigen diesen zwischen den Speichen des Hinterrades, um nur ein Beispiel anzuführen, so besteht die Gefahr, daß die normalen Fahrradspeichen die Belastung auf Dauer nicht vertragen. Stärkere Speichen wären also notwendig. Das gleiche zeigt sich auch bei den zwischen den Speichen befestigten Riemenfelgen. Die Tatsache, daß Fahrradmotorenhersteller ihre Fahrräder mit eigenem Motor bei Kettenantrieb schon mit stärkeren Speichen ausrüsten (z. B. Viktoria) sind hierfür Beweis.
Ketten und Riemen mit den dazu erforderlichen Zahnkränzen und Felgen und der dazu unerlässlichen Kupplung fallen in das Gebiet der Mopeds.
Die bisher gewonnenen Erfahrungen mit dem 'Student' bestätigen, daß mit einem HIMO, wenn er nur mit Reibrolle arbeitet, das Fahrrad nicht zusätzlich beansprucht wird, wesentliche Bauteile des Rades also nicht der Gefahr ausgesetzt sind, nach längerer Zeit etwa verformt zu werden.

Der Motor
Es handelt sich um einen Einzylinder-Dreikanal-Zweitakter mit Graugußzylinder und abnehmbaren Leichtmetallzylinderkopf. Das Hauptbauteil bildet ein Rollengehäuse aus Alu, das über dem Vorderrad reitet. In Fahrtrichtung gesehen, hängt rechts der Motor, links ist der Schwungmagnetzünder angeflanscht. Kurbelgehäuse und Magnet sind mit einer Blechkappe verdeckt. Über dem Rollengehäuse ist leicht abnhembar der Kraftstofftank (2 Liter) befestigt. Die Kurbelwelle ist einarmig und zweimal in Kugellagern gelagert. Im Rollengehäuse hat in einem besonderen Tunnel die Stahlreibrolle (profiliert) Platz. Zur Schmutzabschirmung sind am Rollengehäuse seitlich innen Schutzbleche angebracht. Der Auspuff geht nach unten und ist so gerichtet, daß der Fahrer von den Auspuffgasen nicht belästigt wird. Die Aufhängung des Motors geschieht mit einem Bolzen an einem besonderen Träger, der mit wenigen Griffen und mit handelsüblichem Werkzeug am Fahrrad angebracht wird, wobei nur das vordere vor den Lenker liegende Stück Schutzblech abschnitten wird. Als Vergaser dient ein Schwimmervergaser der Type KB 14 (VEB Berliner Vergaserfabrik), Düse 55. Neuerdings wird der neue von der BVF-IFA eigens für die Fahrradmotoren entwickelte Ringschwimmervergaser HG-10, Düse 45 verwendet, womit bessere Leistungen zu erwarten sind. Die Zylinderbohrung ist 36 mm, der Hub 40 mm, der Hubraum beträgt 40,7 ccm. Bei einer Drehzahl von 5000 U/min leistet der Motor etwa 1 PS bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 1,5 Litern auf 100 km Fahrstrecke.
Der Antrieb geschieht durch eine profilierte Stahlreibrolle im Verhältnis 1:17,8 (bei 28 Zoll Reifen) direkt auf dem Vorderrad. Vom Lenker aus kann der Motor mit einem Bowdenzug abgehoben werden, es ist damit ausgekuppelt. Rechts am Lenker ist der Gashebel angebracht, womit die Geschwindigkeit geregelt wird.

Die Fahreigenschaften
Der etwa 6 kg schwere Motor über dem Vorderrad erschwert die Lenkung nicht. Der Start gelingt schnell, wenn mit dem abgehobenen Motor angefahren und dann der Motor unter gleichzeitigem Gasgeben eingekuppelt wird. Die günstige Gewichtsverteilung bezogen auf das Gesamtgewicht des Rades mit Motor und Fahrer, erzeugt bei hohen Geschwindigkeiten Bergabfahrt mit ausgekuppeltem Motor) kein Schlingern oder Schleudern. Über die erreichbaren Geschwindigkeiten geben am besten die Werte, die bei einer durchgeführten Fahrt erreicht wurden, Aufschluß:
Fahrrad (Elite-Diamant) in normaler Ausführung mit Motor 'Student' und angebautem Reservetank für 2 Liter Brennstoff, Gesamtgewicht einschließlich Fahrer (70 kg) = 98 kg. Fahrstrecke: Zella-Mehlis (Thür.) nach Karl-Marx-Stadt, 260 km in 10 Stunden, davon 3 Stunden Nachtfahrt. Der erreichte Durchschnitt betrug also 26 km/h. Auf der Ebene können gut 30 km/h gefahren werden; Höchstgeschwindigkeit (in Abhängigkeit vom Fahrergewicht) 35 km pro Stunde.

Seitens des Herstellerbetriebes, des Konstrukteus und der Mechaniker sind alle Vorbereitungen für eine Fertigung im Gange; die Versuchsarbeiten sind abgeschlossen und umfangreiche Streckenerprobungen durchgeführt worden. Auf der Leipziger Messe fand der Hilfsmotor 'Student' das ungeteilte Interesse aller Besucher, darunter besonders der Werktätigen aus allen Teilen unserer Republik, die das Erscheinen dieses kleinen Hilfsmotors freudig begrüßten in der Hoffnzung, bald so einen Helfer für das Fahrrad zu erhalten und somit die Wegstrecken zur und von der Arbeit schneller zurücklegen zu können oder auch am Sonntag bequem und billig ins Freie zu fahren."
(Kratzsch, B. H.: Ein Fahrradhilfsmotor zum nachträglichen Einbau, in: Das Fahrzeug, 8. Jahrgang, 1954, Seite 12 f.)

Der "Student" des VEB Metallwarenfabrik Zella-Mehlis wurde möglicherweise von der Firma Kratzsch entwickelt. Vermutlich ging der Motor nie in die Serienproduktion, bzw. wurde nur wenige Stück gebaut. Laut Prospekt wurde dieser Motor auch als "gemischverdichtende[r] Selbstzünder mit einer Leistung von 1 PS (Vergaserdiesel)" gefertigt. Belegexemplare des Student sind nicht bekannt.

Hersteller

  • VEB (K) Metallwarenfabrik Zella-Mehlis

Technische Daten Student

  • Motor: Zweitakt, Einzylinder
  • Leistung: 1 PS
  • Hubraum: 40,7 oder 40 cm³ (je nach Quelle)
  • Hub: 40 mm
  • Bohrung: 36 mm
  • Kühlung: Luftkühlung (Fahrtwind)
  • Kraftübertragung: Reibrolle auf das Vorderrad wirkend
  • Leergewicht: 6 kg
  • Tankinhalt: 2 Liter
  • Motorgewicht: 5,5 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: etwa 30 km/h



Famolette

Das Technische Büro für Verbrennungsmotoren Ing. Bernhard-Hellmuth Kratzsch, Zella-Mehlis i. Thür., Stalinstraße 18 bot in den frühen 1950er Jahren (belegt 1951 und 1952) Baupläne auch für verschiedene Hilfsmotor-Typen an, dazu auch Konstruktionsteile wie Gussgehäuse und Kolben (ob aus eigener Fertigung ist nicht bekannt). Für das Jahr 1952 ist der Verkauf von technischen Plänen zum Selbstbau für das Fahrrad-Einbau-Aggregat Famolette belegt (siehe Abbildung im Abschnitt zum Motor "Student"). Zu diesem Motor ist bislang nichts weiter bekannt.

Technische Daten Famolette (nur als Bauplan angeboten)

  • Motor: 1-Zylinder
  • Leistung: 0,75 PS/1 PS
  • Hubraum: 34cm³/40 cm³
  • Hub: ??
  • Bohrung: ??
  • Verdichtung: ??
  • Anzahl der Gänge: ??
  • Kühlung: ??
  • Kraftübertragung: ??
  • Leergewicht: ??
  • Höchstgeschwindigkeit: ??

Hilfsmotor des VEB Mähdrescherwerk Weimar

Im VEB Mähdrescherwerk Weimar (ab 1964 VEB Weimar-Werk, ab 1978 zum Kombinat Fortschritt Landmaschinen) wurde Mitte der 1950er Jahre offenbar ein Fahrradhilfsmotor im Rahmen der Konsumgüterproduktion entwickelt. Nach offiziellen Angaben besaß der "Zweitaktmotor 50 ccm Hubraum, er wiegt 5 kg, die Drehzahl beträgt etwa 4.000 Umdrehungen in der Minute, die Leistung 1 PS." (Quelle: Zentralbild, Foto: Wittig, 19.11.1954). Ob es zu einer Serienproduktion kam ist nicht bekannt. Weitere Informationen zu diesem Motor existieren bislang nicht.

Hilfsmotor der Ernst Popp & Co. KG

Bis auf den Hersteller-Eintrag B H K.-Popp-Motoren Ernst Popp & Co. KG, Zella-Mehlis (Thür), Böhmerbergstraße 26 im Bezugsquellennachweis Wer liefert was? des Jahrganges 1950 sind bislang keine Informationen zu diesem Hilfsmotor und der Ernst Popp & Co. KG bekannt. Das Kürzel B H K verweist auf Bernhard-Hellmuth Kratzsch; dieses Kürzel findet sich ab spätestens 1951 auf Zeichnungen und Werbeanzeigen des Ingenieurbüros Kratzsch. Denkbar erscheint eine Kooperation beider Firmen, eine Lizenzproduktion o.ä.

Weblinks